Startschuss am QIII/1

Zäh war das Ringen um die Fassadengestaltung am Q3 – dem “Juwel an der Frauenkirche”, wie der Investor Baywobau sein Projekt gerne tituliert. Wir erinnern uns: Ein ursprünglich prämierter Entwurf der Dresdner Architektin Heike Böttcher für eine Stahl-Glas-Fassade wurde wieder zurückgezogen, stattdessen ein drittplatzierter, zurückhaltender Putzbau neu ins Rennen gebracht. Zwei äußerst gestaltarme Skelettfassaden zur Frauenkirche hin wurden überarbeitet bzw. durch einen historisierenden Entwurf ersetzt. Das Ergebnis der Umarbeitungen hat sich auf die Ensemblewirkung des Quartiers überaus positiv ausgewirkt, wie die nachfolgenden Visualisierungen belegen:

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Bildnachweis: Baywobau Dresden
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Die weniger vordergründigen Ärgernisse der Q3-Planungen aber blieben und bleiben bestehen – und sie werden all jenen Kritikern neue Munition geben, die den neuen Neumarkt als “Disneyland” abkanzeln. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir auf ein Interview einzugehen, dass Wilhelm von Boddien – Vorkämpfer für die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses – kürzlich im Deutschlandradio gab. Dort ging er auf den “Disneyland”-Kampfbegriff ein und konstatierte: “Disneyland heißt, ich mache alles ein bisschen billig und ich mache es nicht genau.” Während Wilhelm von Boddien zufolge das Stadtschloss so hochwertig und so historisch genau wie nur irgendmöglich wieder erstehen soll, wird sich im Falle des Q3 der “Tatbestand Disneyland” wohl leide in vollem Umfang erfüllen: Hinter 11 individuellen Fassaden verbergen sich in Wahrheit lediglich 5 separate Hauseinheiten; einzigartige historische Fassaden werden dabei willkürlich verdoppelt; Spitzdächer werden vorgetäuscht, tatsächlich schließen sich zum Hinterhof klobige, zinkgedeckte Flachdächer an; auf Ziegelmauerwerk wird wieder einmal gänzlich verzichtet, obwohl das Aufmauern zumindest der Vorderfassaden ab dem 1. OG am Neumarkt mittlerweile doch so etwas wie einen Minimalkonsens für die sog. “Leitfassaden” darstellt. Freuen kann ich mich angesichts solcher Beliebigkeit eigentlich nur auf das Platzbild, das sich weiter schließt – nicht aber auf die Häuser selbst. Und dass angesichts solch gestalterischer, handwerklicher und kunsthistorischer Unverbindlichkeit eine durchweg historisch bzw. historisierend nachempfundene Fassadenfront vom Stadtplanungsamt als “nicht genehmigungsfähig” eingestuft wurde, das leuchtet selbst mir als großem Freund historischer Platzbilder ein.

Wie dem auch sei: Am 24.11.2006 wurde der Bauauftrag für das Q3 erteilt, und am morgigen 13. Dezember soll mit dem Bau begonnen werden.

3 Responses to “Startschuss am QIII/1”

  1. juweb
    December 12th, 2006 15:23
    1

    Ja, der Eindruck der Kulisse wird weiter vervollständigt und immer deutlicher.

  2. Jochen
    December 13th, 2006 13:37
    2

    @ juweb Ich gehe mal davon aus, daß Dein Eindruck von der “Kulisse” negativ gemeint ist. Ich kann in den historischen oder historisierenden Fassaden am Neumarkt nichts Abschätziges erkennen. Es wäre für mich dann eine “Kulisse”, wenn dahinter nichts wäre. Im konkreten Fall befindet sich hinter den Fassaden aber Leben. Es geht doch wohl mehr um ein Platzbild und Raumgefühl. Und das wird doch unbestreitbar wieder erstehen. Auch der von mir sehr geschätzte Herr von Boddien wird zugestehen, daß hinter der hoffentlich wiedererstehenden Schloßfassade in Berlin sich etwas ganz anderes als ursprünglich befinden wird. Auch dort kann es nur um das Platzbild gehen. Ich finde da nichts Verwerfliches dran. Der Kompromiß zwischen historisch, oder annähernd historischem Äußeren und zeitgemäßen Nutzungsmöglichkeiten ist in jedem Fall das kleinere “Übel”, gemessen an dem, was die “Moderne” in ihrer ganzen angeblichen Ehrlichkeit und Klarheit als Alternative anbietet. (Wilsdruffer Kubus, Waterscreen usw.)

  3. silesianospostato
    December 14th, 2006 10:58
    3

    Ihr versteht das miß - bei dem ganzen handelt es sich um gewollte Brüche, um den gelungenen Dialog zwischen alt und neu (und nicht etwa um Sparmaßnahmen). Außen barock, innen Beton, das ist ein gewollter Kontrast, ist spannend und ehrlich. Oder so ähnlich.

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