Archive for June, 2007

Bitte diese Brücke – oder keine!

Tuesday, June 12th, 2007 10:48am

Als grundsätzlicher Gegner einer Brücke am Waldschlösschen habe ich bisher alle oberirdischen Elbquerungen an dieser sensiblen Stelle des Dresdner Elbtals abgelehnt und mich stattdessen der Forderung nach einer Tunnellösung angeschlossen. Der Bau eines Tunnels ist allerdings derzeit auf keiner Agenda zu verzeichnen – auch nicht auf der eines ansonsten sehr um Brückenkompromisse bemühten Baubürgermeisters. Die Unterschriftensammler der Pro-Tunnel-Bürgerinitiative werden angesichts des fortgeschrittenen Diskussionsstands vermutlich genauso wenig bewegen können wie die offenen Briefe von Volkwin Marg sowie zweier TU-Professoren, die die einseitige Fixierung auf eine oberirdische Elbquerung beklagen.

Das bedeutet, dass auch ich als Brückengegner mich gezwungen sehe, mich mit der Frage zu beschäftigen, welche Brücke – wenn es schon nicht ohne Brücke geht – denn am ehesten das Potenzial hätte, sich mittel- bis langfristig als Landmarke zu etablieren und nicht als Störfaktor, sondern als Blickfang innerhalb der Dresdner Architekturlandschaft zu wirken. Der zeitgenössischen Architekturphilosophie, die an besonders sensible städtebauliche Punkte bewusst “sich zurücknehmende” Lösungen sucht, die in Wahrheit aber allzu häufig furchtbar banal und langweilig wirken – siehe als Paradebeispiel den geplanten “Wilsdruffer Kubus” gegenüber vom Zwinger –, begegne ich prinzipiell mit großer Skepsis. Diese Architekturphilosophie schlägt am Waldschlösschen nun einen filigranen “Steg” statt einer Brücke vor – es soll eine Brückenarchitektur entstehen, die sich als solche selbst verleugnet.

Dem steht ein geradezu kühner Siegerentwurf aus dem Jahre 1997 entgegen, der sowohl Elemente der Dynamik als auch der Ruhe beinhaltet und der eine selbstbewusste, durchaus anspruchsvolle gestalterische Leistung darstellt:

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Die Neigung der Brückenpfeiler nimmt den Schwung des Bogens auf, so dass in der Gesamtansicht ein sehr bewegtes, anmutiges Bauwerk entstehen würde. Kritkwürdig ist allein der geplante Standort, aber dieser kann seinem Verfasser Henry Ripke nun wirklich nicht zum Vorwurf gemacht werden. Diesen – völlig zu Unrecht nachträglich diskreditierten und in Verruf gebrachten – Entwurf zu kippen und durch eine banale Kompromisslösung zu ersetzen, die durch den Verzicht auf bzw. die Verlegung des Brückenbogens angeblich leichter und unaufdringlicher daherkommen soll, in Wirklichkeit aber langweilig und ideenlos wirkt, halte ich für einen großen Fehler.

Wenn schon eine Brücke gebaut werden soll, dann bitte eine, die als solche bezeichnet zu werden verdient und die eine selbstbewusste städtebauliche Geste darstellt. Wenn schon der politische Wille zu einem Tunnel nicht reicht, dann möge bitte DIESE Brücke gebaut werden, und kein fauler Kompromiss. Denn auch ein Kompromiss muss 4 Spuren rollenden Verkehrs bewältigen – und dies werden selbst die dünnsten Stelzen nicht verschleiern können.

Die unendliche Geschichte von der Waldschlößchenbrücke

Tuesday, June 12th, 2007 10:00am

Der Streit um die Brücke nimmt kein Ende, und der ohnehin scharfe Ton verschärft sich weiter – Anschuldigungen, Drohungen und Verhärtung beherrschen die Debatte; das Klima ist vergiftet, ein Kompromiss scheint unmöglich geworden. Hier eine Zusammenstellung ausgewählter Zuspitzungen der letzten Wochen:

-Nach dem sächsischen Verfassungsgericht hat nun auch das Bundesverfassungsgericht die Klage der Landeshaupstadt gegen das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, welches den Bau der Brücke anordnet, abgewiesen – die Verhinderung der Brücke auf juristischem Wege ist damit nahezu unmöglich geworden.

-Die Brückenbefürworter aus den Reihen von CDU und FDP haben sich demonstrativ der von Baubürgermeister Feßenmayer veranstalteten sog. “Perspektivenwerkstatt” verweigert, die in Zusammenarbeit mit einer Reihe namhafter Architekten nach Alternativen zum aktuellen Brückenentwurf suchte. Der Vorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion, Michael Grötsch, greift Feßenmayer für seine Kompromiss-Suche mittlerweile offen an.

-Das Dresdner Regierungspräsidium hat aufgrund der fortgesetzten Weigerung der Stadtratsmehrheit, den Bau der Brücke durch Vergabe von Bauaufträgen in die Wege zu leiten, erste Bauaufträge zur Herstellung der Tunnelzufahrten selbst vergeben.

-Die Brückenbefürworter im Dresdner Stadtrat erwägen mittlerweile strafrechtliche Schritte gegen die “Brückenverhinderer” – den amtierenden Bürgermeister Lutz Vogel und Baubürgemeister Feßenmayer eingeschlossen.

-Bundesverkehrsminister Tiefensee droht mit der Kürzung von Fördermitteln für Sachsen, sollte die derzeit geplante Brücke gebaut werden: Der Bau der Brücke in der bislang vorgesehenen Form sei nicht mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands vereinbar, und auch der Bund käme seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nach, wenn er die Finanzierung der Brücke aus Bundesmitteln duldete.

-Prof. Volkwin Marg (Gerkan, Marg & Partner, Hamburg), der 1997 jenem Preisgericht angehörte, das den aktuellen Brückenentwurf zum Sieger kürte, spricht in einem offenen Brief von einer Manipulation des damaligen Wettbewerbsverfahren: Eine Tunnellösung, obwohl technisch und finanziell durchaus realistisch, sei bewusst hintertrieben worden.

Am heutigen Dienstag nun soll der Stadtrat entscheiden, ob und welche der seitens der “Perspektivenwerkstatt” vorgelegten Alternativ-Entwürfe für die Brücke bei der bevorstehenden UNESCO-Tagung in Neuseeland (23.6.–2.7.) vorgelegt werden sollen, um die “Welterbeverträglichkeit” einer Brücke am Waldschlößchen zu demonstrieren und so den Erhalt des Titels zu sichern. Die von der Jury empfohlenen Entwürfe stammen aus der Feder von Werner Sobek (unten) sowie Schlaich Bergermann (ganz unten), beide in Stuttgart ansässig. Die Entwürfe sehen vor, die Brücke eher als filigranen “Steg” denn als wuchtige Brücke wirken zu lassen, um den Elbraum so wenig wie möglich zu beeinträchtigen:

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Ob die Entwürfe allerdings mit dem Planfeststellungsverfahren von 2004 vereinbar sind, darf bezweifelt werden: Sobeks Entwurf sieht nur 3 statt 4 Spuren vor und benötigt zudem Pfeiler in der Elbe – ein klares Ausschlusskriterium, da die Standfestigkeit der filigranen Stützen etwa bei Kollisionen mit havarierten Schiffen ernsthaft bezweifelt werden muss. Das Regierungspräsidium, welches die neuen Planungen billigen müsste, hat sich bereits ablehnend gegenüber den “Kompromissbrücken” gezeigt, so dass momentan weiterhin alles auf eine offene Konfrontation hinausläuft.

In eigener Sache

Sunday, June 03rd, 2007 4:12pm

Die zurzeit sehr einseitig auf den Neumarkt fokussierte Berichterstattung bitte ich als solche zu entschuldigen. Obwohl die Kommentierung des Bau- und Planungsgeschehens am Neumarkt ganz bewusst einen wesentlichen Schwerpunkt dieses Weblogs bildet, soll selbstverständlich auch weiterhin auf andere städtebauliche Themen wie z.B. den Dauerstreit um die Waldschlösschenbrücke oder die Umgestaltungen der Prager Straße und des Postplatzes aufmerksam gemacht werden. Leider macht es meine persönliche und berufliche Situation zurzeit unmöglich, in größerem Umfang zu schreiben, so dass ich mich entschieden habe, die Gewandhaus-Problematik – von der ich glaube, dass sie sehr grundsätzlicher Art ist und stellvertretend für viele ähnlich gelagerte Streitigkeiten nicht nur in Dresden steht – in den Mittelpunkt zu rücken. Ich hoffe die Leserschaft ab Herbst wieder mit häufigereren Beiträgen erfreuen zu können. Herzlichen Dank für Ihr Verständnis!

Neumarkt-Gesellschaft wartet mit Alternativ-Konzept auf

Sunday, June 03rd, 2007 4:03pm

Mit einem äußerst geschickten Schachzug geht die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND) in die Offensive und präsentiert ein eigenes Konzept zur Lösung des Konflikts um Bebauung oder Nichtbebauung des Gewandhaus-Areals:

Die von der Stadtplanung vorgesehene Wiederherstellung der durch das Alte Gewandhaus bis 1791 vorgegebenen Platzkante wird durch die Anpflanzung einer Reihe von neun Bäumen bewerkstelligt, verbunden mit der Sichtbarmachung von Teilen der alten Stadtbefestigung. Damit wird zwei wesentlichen Anliegen der Stadtplanung entsprochen, ohne die Fläche jedoch tatsächlich zu bebauen. Das Ergebnis ist, wie die Visualisierungen von Architekt Andreas Hummel belegen, ein Platz von geradezu betörender Harmonie und städtebaulicher Perfektion. Warum die Stadtplanung und sogar der ehemalige Landeskonservator Gerhard Glaser die Wiederherstellung der Baufluchten von 1791 als städtebauliche Notwendigkeit geradezu beschwören, bleibt insbesondere beim Anblick der simulierten Vogelperspektive mehr als fraglich:

Luftbild.jpg

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Die Baumasse eines “neuen” Gewandhauses würde, ganz gleich wie gestaltet, durch seine exponierte Lage den Platz dominieren und in Konkurrenz zur Frauenkirche treten, der Neumarkt würde massiv verengt.

Darüber hinaus würden eine Reihe von für die Wirkung des Platzes wichtigen Blickbeziehungen durch den Neubau verloren gehen, z.B. würde beim Blick aus der Moritzgasse das Johanneum (Verkehrsmuseum) nahezu vollständig verdeckt:

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Aus der Augustusstraße blickend würde wiederum das Hotel Stadt Rom (geplant) teilweise und das Heinrich-Schütz-Haus mit seinem markanten Runderker (im Bau) vollständig verdeckt:

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Der von dem Dinglingerhaus als Leitbau (Mitte) sowie dem Johanneum maßgeblich geprägte Jüdenhof würde vom Platz abrücken und könnte nur noch eingeschränkt in diesen hineinwirken:

Juedenhof.jpg

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[Anmerkung: Der völlig ungestaltete und damit besonders unansehliche “Platzhalter” ist in diesen Visualisierungen sicherlich nicht in polemischer Absicht, sondern aus Gründen des Urheberschutzrechts eingearbeitet worden. Zur Verdeutlichung der komplexen räumlichen Zusammenhänge am Neumarkt dürfte er allerdings ausreichend sein.]

Auf http://www.neumarkt-dresden.de/bilder-terrasse.html können diese und weitere Visualisierungen in hoher Auflösung zu privaten Zwecken heruntergeladen werden.