“Quartier an der Frauenkirche” öffnet seine Pforten

Am Samstag war es soweit: 40 von insgesamt 47 Läden hatten geöffnet, als die Öffentlichkeit erstmals Zutritt zum – am Vorabend mit einem Lichtspektakel feierlich eingeweihten – “Quartier an der Frauenkirche” hatte. Für Spannung hatte im Vorfeld vor allem das Innere des Komplexes gesorgt, das als öffentliche, glasüberdachte Einkaufspassage auf insgesamt drei Etagen konzipiert worden war.
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Zunächst ein paar Worte zur Gestaltung dieser Passage. Die Investoren hatten stets betont, dass sie im “QF” ganz bewusst Tradition und Moderne miteinander zu verbinden suchen, und so war es keine Überraschung, dass sich das Passageninnere insgesamt sehr modern präsentierte: glatte Materialien, gedeckte Farbigkeit, reduzierte Formen, Verzicht auf ornamentale Akzente. (Freunde historischer Einkaufspassagen, wie sie der Historismus schon vor rund 100 Jahren in deutschen Großstädten hervorgebracht hatte, dürften enttäuscht worden sein.) Die Nüchternheit und Strenge der Gestaltung wird durch die assymetrische Anlage des Passagengrundrisses konterkariert. Trotz der vergleichsweise kleinen Grundfläche der Passage vermittelt die ebenfalls assymetrische Anlage der Freitreppe ein Gefühl von Großzügigkeit und Weite. Das markanteste Merkmal der Anlage ist zweifelsohne das Glasdach, welches den Blick immer wieder nach oben, zur Kuppel der Frauenkirche, gleiten lässt:
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Nun zum Konzeptionellen. Die Investoren haben sich alle Mühe gegeben, ihr “QF” stets als das ganz Besondere, das so in Dresden noch nicht Dagewesene zu präsentieren. Dennoch sollte zunächst einmal ganz nüchtern festgestellt werden: Dresden hat im Innenstadtbereich eine weitere Einkaufspassage erhalten. Es ist nicht die erste, und es wird sicherlich nicht die letzte ihrer Art gewesen sein. Zwar vermitteln die sorgfältig ausgewählten Boutiquen und gastronomischen Einrichtungen den Eindruck einer gewissen Exklusivität und Noblesse, unterm Strich bleibt es jedoch bei dem üblichen Mix aus Shoppen & Schlemmen. Und all jene Geschäfte, die als Verkaufskatalysatoren schwülstige, überdimensionierte, viel zu tief hängende Kronleuchter mitsamt historisch anmutender Innenausstattung einsetzen, laufen Gefahr, kitschig daherzukommen. Dies gilt insbesondere für die Anbieter von Geschenkartikeln aus dem Erzgebirge, die fensterlos im Tiefgeschoss logieren und ihre Decken mit Holzbalken dekoriert haben.

Abschließend noch eine Bemerkung zur Architektur. Ich stelle fest, dass ich als Besucher der Passage – trotz mittlerweile geschulten Blicks – kaum einen Bezug zwischen den kleinteiligen, überwiegend sehr ansprechend gestalteten Außenfassaden des Areals und dem Inneren des Gebäudekomplexes herstellen kann. Eine schlüssige Vermittlung zwischen dem hochmodernen Passgageninneren und den historischen Fassaden zum Neumarkt hin findet nicht statt, eine Fortsetzung der historischen Formensprache etwa an den rückseitigen Fassaden der zum Neumarkt gelegenen Gebäude sucht man vergeblich.

Diese Kritikpunkte müssen deutlich genannt werden, und ich hoffe inständig, dass künftige Investoren sie sich zu Herzen nehmen werden. Bedenkt man, wie lange das Quartier zum bloßen Parkplatz degradiert war, so ist das “QF” sicherlich ein erfreulicher Beitrag zur Stadtentwicklung. Dennoch hoffe ich, dass dieses Beispiel nicht Schule macht – eine Passage á la QF am Neumarkt ist genug. Die Besucher des neuen Neumarkts können einen Ort wie diesen zum Shoppen & Schlemmen gut gebrauchen, aber sie brauchen ebensosehr die Intimität und Geborgenheit “echter” Hinterhöfe. Wer Prag kennt, weiß wovon ich spreche.

Mein persönliches Fazit: Lasst uns diese eine Einkaufspassage über drei Etagen am Neumarkt haben, aber der Neumarkt möge sich bitte nicht zu einem Konglomerat trickreich hinter historischen Fassaden versteckter Shopping-Zentren entwickeln.
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Anmerkung zum nachfolgenden Bild: Einen außerordentlich noblen Eindruck macht das von Wörner & Partner entworfene Eckhaus direkt gegenüber der Frauenkirche, in dessen Erdgeschoss sich ein Juwelier eingerichtet hat. Wäre das Gebäude nicht mit einem – an dieser Stelle äußerst gewöhnungsbedürftigen – gläsernen Staffeldach ausgestattet, würde ich es spontan zum gelungensten Vertreter moderner Architektursprache am Neumarkt erklären.
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