Schöne neue Welt am Postplatz?

Der Umgestaltungsprozess der Dresdner Altstadt erweckt auf den ersten Blick den Anschein, als sollte das historische Dresden zumindest in seinem innersten Kern ansatzweise wiederhergestellt werden, ergänzt durch einige mehr oder weniger behutsam einmodellierte Neuschöpfungen. Verlässt man jedoch den historisch-historisierenden “Speckgürtel” rund um die Frauenkirche, wird sehr schnell klar: An den zentralen Plätzen, die sich an das erweiterte Neumarktgebiet anschließen – am Pirnaischen Platz, am Altmarkt und am Postplatz – hat sich der Traum vom alten Dresden ausgeträumt. Zwar ist auch hier noch immer überreichlich Brachland vorhanden, anders als am Neumarkt gibt es hier jedoch keine Bestrebungen, das “alte” Dresden zu zitieren. Der Postplatz wird im Grunde völlig neu erschaffen. Den Auftakt bildete vor wenigen Wochen die Zentralhaltestelle der Dresdner Verkehrsbetriebe mit ihrem umstrittenen “Schmetterlingsdach”.

Nun ist der Postplatz um eine modernistische Attraktion reicher geworden: 5 Lichtmasten erheben sich in den Himmel über dem frisch gepflasterten Brachland und sollen beleuchtungstechnisch einen besonderen Akzent im Stadtbild setzen. Es handelt sich um Metalldampf-Halogen-Lampen, die das Licht indirekt über eloxierte Hochglanzspiegel nach unten bringen; so soll der Eindruck von gleichsam “schwebenden” Lichtpunkten erweckt werden. Das Beleuchtungskonzept ist Teil des städtebaulichen Konzepts von Architekt Joachim Schürmann, der 1991 den städtebaulichen Wettbewerb für den Postplatz gewann.
postplatz-licht.jpg

13 Responses to “Schöne neue Welt am Postplatz?”

  1. vitruv
    September 18th, 2006 18:00
    1

    Dresden bleibt sich also treu und fährt ungebrochen auf modernistischem Kurs Richtung Fortschritt. Ganz nach dem Motto “vorwärts immer, rückwärts nimmer”. So bewahrt die Elbmetropole sich ihre eigene (Nachkriegs-)Tradition. Wie eine Entschuldigung für eine ungeliebte Altstadt mit ihren zahlreichen Rekonstruktionen kommt diese Gebärde daher. Und die Touristen werden sich freuen über den ungebrochenen Fortschrittsoptimismus und die mächtige Opposition gegen die muffige Tradition. (Vorsicht Ironie!)

  2. silesianospostato
    September 18th, 2006 18:40
    2

    Tja, und all das 50 Meter neben dem Zwinger. Dresden südlich der Elbe, außerhalb des Neumarkts - das ist eine wilde Mischung aus Plattenbauten, gruseligen Neubauten und endlosen Brachflächen. Man freut sich schon über jedes übrig gebliebene Gründerzeithaus, so verfallen und durchschnittlich (bezogen auf die Architektur früherer Zeiten) es auch sein mag. Den Ist-Zustand könnte man ja noch goutieren, wenn wenigstens die Weichen für den Wiederaufbau richtig gestellt würden - aber davon kann ja nicht die Rede sein. Fast bin ich schon froh über jedes Neubauprojekt, das scheitert… denn auf Advanta-Riegel, Postplatz reloaded und Co. kann ich wirklich verzichten. Dann schon lieber grüne Wiese mitten in der Innenstadt…

  3. stephan
    September 19th, 2006 10:30
    3

    Die Dinger sehen wie überdimensionierte Gaslaternen aus.

    Übrigens wurden auf dem neuen Postplatz irgendwie die grünen Akzente vergessen. So hätte man wenigstens die Ostraallee mit der Marienstrasse durch ein grünes Band verbinden können, aber nö….Alles ratzekahl. Da hält es doch im Sommer keiner mehr aus.

    Vorm HBF fehlen auch Bäume!

  4. Jochen
    September 19th, 2006 11:58
    4

    Ohhhh! Lieber Thomas Filip, da reden wir mal endlich “Fraktur”. Es nützt auch nichts, zu beschönigen, zu moderieren und verständnisvoll zu sein. Das Schlimme ist, daß es sich überall um “Preiskrönungen” aus Architektur- und Gestaltungswettbewerben handelt. Überall. (Altmarkt, Neumarkt, Postplatz usw) Ich frage mich oft, in der Sprache des Ruhrpotts mal ausgedrückt : sind “Die, oder bin ich bekloppt”? Mich erinnert das alles an das Schauspiel “Biedermann und die Brandstifter” von Max Frisch, da kann der Biedermann auch nicht glauben, daß seine Gäste sein Haus anstecken. Die tuns aber. So ähnlich ist das mit den jetzigen Planern Dresdens auch. Der Mehrheit ist`s egal, eine hochrangige Minderheit schreit “Hurra” und es kommt wie es kommt.

  5. vitruv
    September 19th, 2006 14:10
    5

    Man sieht, dass das moderne Abstraktionsbedürfnis auch vor Gaslaternen nicht halt macht. Was soll der Postplatz mal werden? Eine Kulisse für einen Science Fiction Film? Wem dient dieser Modernitätswahn? Werden die sozialistischen Zukunftsutopien aus guter Tradition fortgesetzt und am Bild einer “modernen Großstadt” gefeilt? Ich bin ratlos.

  6. mannschu
    September 20th, 2006 14:51
    6

    @Stephan V
    Vorm Hbf befindet sich eine Tiefgarage, die Baumpflanzungen nicht unbedingt möglich macht.

  7. mannschu
    September 20th, 2006 15:01
    7

    Leute, ich kann euch nicht verstehen. Der Postplatz gehört nunmal zu einem Stadterweiterungsgebiet, das erst mit dem Schleifen der Festungswerke im 19. Jh. richtig erschlossen wurde und davor der Stadtbefestigung diente. Und seien wir doch mal ehrlich: der mehr oder weniger ungeplant entstandene Platz war doch vor dem Krieg auch nicht wirklich schön, sondern eher heimelig, was durch zahlreiche attraktive Geschäfte und Restaurants zustande kam.
    Heute leben wir im 21. Jh. (schon vergessen) und können demnach nicht daran gehen Altstadtgassen her zu zitieren, wo sie so auch nicht bestanden haben. Und von der Nähe zum Zwinger zu labern und es als ein Sakrileg hinzustellen dort überhaupt etwas bauen zu wollen, halte ich für reichlich unangebracht. Schaut euch doch um und sagt mir, was ihr z. B. vom Schauspielhaus haltet! Solch eine Kubatur gegenüber dem grazilen Zwinger? Sakrileg, abreisen, Bäume pflanzen. Es lebe das Großdorf Dresden mit firscher Kuhweide!

  8. vitruv
    September 20th, 2006 20:11
    8

    @mannschu
    Deine Argumentation verstehe ich nicht. Weil ein Platz vor dem Krieg nicht sooo schön war, muss man ihn heute durch Büroklötze, Pylonen Schmetterlingsdächer verschandeln? Obwohl der Platz direkt an die Altstadt grenzt? Von Altstadtgassen redet ja niemand, aber einen Modernisus, der schon das Prädikat Futurismus verdient, muss doch auch nicht sein. Wir leben schließlich in der Gegenwart :-) Um mich zu vergewissern, welches Datum wir haben, schau ich übrigens in den Kalender, dazu brauch ich keine Architektur wie den geplanten neuen Fresswürfel oder die neuen Lampen.

  9. mannschu
    September 22nd, 2006 18:51
    9

    Aber was haltet ihr denn dann eigentlich für gute moderne Architektur? Wenn man den Ufa-Palast oder die Synagoge nennen würde, würdet ihr doch genauso zusammenzucken wie bei den Altmarkt-Häusern. Was wollt ihr dann eigentlich? Geht es um die Dimensionen, Monoblöcke usw.? Heutzutage braucht man eben Großstrukturen und kann sie nicht in jedem Falle wie beim Neumarkt unter vielfältigen Fassaden (auch modernen) verstecken und damit Kleinteiligkeit sugerieren! Immobiliengesellschaften haben nunmal nur ein Interesse an möglichst wirtschaftlichen Anlagen und verdrängen kleinere Einzelinvstoren wie es sie vielleicht früher einmal gab. Modern times, kein Futurismus! Ausgeschlafen?

  10. vitruv
    September 29th, 2006 15:36
    10

    @mannschu
    Uns gehts um Kultur, dir gehts um nackte Wirtschaftlichkeit, oder täusche ich mich? Schönheit hat wohl in “modern times” nichts zu suchen? Futurismus habe ich einzig auf die Lampen bezogen, die wirklich katastrophal hässlich sind. Ein schöner Platz lässt sich aber kaum gewinnen durch Riesenkubaturen mit Rasterfassaden, geschmückt mit futuristischen Lampen. Wenn du das schön findest, stehst du ziemlich allein da.

  11. mannschu
    October 2nd, 2006 16:23
    11

    Mir geht es nicht um Wirtschaftlichkeit allein, sondern um einen klaren Bezug zur Realität. Wenn man sich diesen vergegenwärtigt und nicht irgendwelchen Phantasien nachhähngt, die zugegebenermaßen recht schön wirken, dann muss man eben mit Großstrukturen leben und danach streben, diese möglichst gut zu gestalten. Und darüber sollte man glaube ich reden, denn etwas anderes mach keinen Sinn und bringt nur Enttäuschungen.
    Die Laternen halte ich übrigens für recht gelungen. Sie können sich gegenüber den üblichen Stahlmonstren durchaus sehen lassen.

  12. vitruv
    October 2nd, 2006 20:30
    12

    Heisst klarer Bezug zur Realität für dich Ablehnen von architektonischer Schönheit? Und ist Schönheit=irgendwelche Phantasien=nicht ausgeschlafen=sinnlos=Entäuschung?
    Gute Gestaltung von Großstrukturen ergibt für mich jedenfalls keinen Beton-Glas-Kubus, wie den geplanten Fresswürfel-Ersatz. Sensibilität für das Altstadtgefüge verböte solche Lösungen vernünftigerweise. Aber wenn dir die neuen Lampen gefallen, gefällt dir vielleicht auch dieser Entwurf?

  13. lindner
    December 3rd, 2006 15:35
    13

    Diese Lampen sind eine tolle Bereicherung für den Postplatz und ein guter Anfang dieser Einöde etwas Flair zu verleihen. Sie geben zusammen mit der neuen Zentralhaltestelle dem Platz einen gewissen Halt, sind supermodern, originell und vertragen sich durchaus auch mit Zwinger und Schauspielhaus. Was ich bemängle ist dieses weisse, kalte, fahle Licht - einfach schrecklich! Während andernorts zunehmend auf angenehmes blendfreies gelbes Licht umgerüstet wird ist es in Dresden offensichtlich gerade umgekehrt. Egal ob am Neumarkt, in der Wilsdruffer Strasse oder der Neustädter Hauptstrasse - immer mehr weisses Licht. Wieso? Zum abendlichen verweilen laden solche ausgeleuchteten Stadträume jedenfalls nicht ein!

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