Die Keller – Zeitfenster in die Vergangenheit

Zurzeit wird am Neumarkt wieder einmal fleißig gegraben. Nach Abschluss der archäologischen Freilegung der historischen Kellerstrukturen des Quartiers V/2 (Planung: Feddersen Architekten, Bauherr: Stiftung Martinshof Rothenburg) haben Archäologen nun auch die ersten Keller des Quartiers VI zugänglich gemacht. Um Erhalt oder Aufgabe der Keller als letzte Überreste der historischen Bebauung ist in den letzten Jahren viel gestritten worden. Ich für meinen Teil kann jeden Investor verstehen, der seine millionenschweren Investitionen nicht auf morschen Fundamenten gründen will, die über 60 Jahre im Boden geschlummert haben und dabei ihre Tragfähigkeit weitestgehend eingebüßt haben dürften – ganz abgesehen davon, dass die Grundrisse jahrhundertealter Keller sich mit den Grundrissvorstellungen heutiger Nutzer kaum decken dürften. Andererseits finde ich den Gedanken faszinierend, dass ein im 21. Jahrhundert erbautes Gebäude durch den Erhalt alter Gewölbetonnen fest in seinen geschichtlichen Strukturen verankert ist. Und so meine ich, dass man den Erhalt der Keller zwar fördern, aber nicht einfordern sollte. Wenn ein Investor wie die Stiftung Martinshof sich entscheidet, die alten Gewölbe des Schütz- und Köhlerschen Hauses zu erhalten, dann ist das auf jeden Fall eine begrüßenswerte und feine Sache. Ein Dogma sollte indes nicht daraus gemacht werden.
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oben und ganz unten Quartier V/2, in der Mitte Quartier VI
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7 Responses to “Die Keller – Zeitfenster in die Vergangenheit”

  1. Bert
    August 22nd, 2006 11:01
    1

    Ganz meine Meinung, Historische Kellergewölbe sind eine faszinierende Sache, aber es sollte hier dem Investor überlassen werden, die Erhaltung bzw. Nutzung zu kalkulieren. Wenn man alles hätte erhalten wollen, gäbe es unter dem Neumarkt keine Tiefgarage und jeder würde nach Parkplätzen krähen… ;-)). Freuen wir uns auf die Gewölbe im Objekt AdF 16/17 und schauen auf die nächsten Projekte. Diesen “Fördergedanken” finde ich ziemlich gut…

  2. vitruv
    August 22nd, 2006 13:01
    2

    @Bert:
    Für die Tiefgarage wurden bekanntlich die Reste der mittelalterlichen Festungsanlage geschliffen - damit die Besucher nicht ein paar Meter z.B. vom Pirnaischen Platz laufen müssen. Auch was den Erhalt der Keller angeht bin ich anderer Meinung. Die gut erhaltenen Keller unter den Leitbauten hätte man erhalten sollen. Ich richte mich ausdrücklich gegen eine allzu liberale Baupolitik am historischen Ort.

  3. Thomas Filip
    August 22nd, 2006 14:01
    3

    Die Parkflächen am Polizeipräsdium werden in dieser Dimension hoffentlich auch irgendwann verschwinden, eine Neugestaltung des Pirnaische Platzes - auch wenn wir den Kaiserpalast mit Sicherheit nicht zurückbekommen werden - ist absolut wünschenswert. Daher finde ich es absolut richtig, dass es die zentrale Tiefgarage gibt. Mittelalterliche Festungsmauern hin oder her, das Leben findet heute statt, und das ist wichtiger als ein Konglomerat mittelalterlicher Steinblöcke im feuchten Erdreich. Ich finde den Kompromiss, einen Teil der Festungsanlagen innerhalb der Tiefgarage zu erhalten und sichtbar zu machen, absolut befriedigend und angemessen. Historische Keller und Festungsmauern sind faszinierend, wenn sie in das Leben von heute schlüssig integriert werden können, aber wenn sie die Entwicklung des heutigen Lebens hemmen oder gar blockieren, müssen sie weg. Ich sehe das sehr pragmatisch. Die Stadtentwicklung Dresdens ist durch dogmatistische Streitereien schon genug blockiert – leider!

  4. vitruv
    August 22nd, 2006 14:22
    4

    Denkmäler aller Art hemmen und blockieren die Entwicklung des heutigen Lebens. Der Erhalt kostet Unsummen. Altstädte aller Art blockieren die freie Entwicklung der Städte. In Fernost ist man da wesentlich fortschrittlicher: man reisst sie einfach ab. Denn das Leben findet heute statt. Und heutiges Leben mag nicht gern Verantwortung für alte Steine tragen. Also weg damit?

  5. Thomas Filip
    August 22nd, 2006 14:48
    5

    Jetzt betreibst Du aber Schwarz-Weiß-Malerei, vitruv. Es geht nicht um Denkmäler allgemein, es geht um die Fundamente eines Hause, auf dem später die Tonnenlast des neuen Gebäudes ruhen soll. Tragfähigkeit, Hochwasserschutz, Grundrissfragen – all das spielt doch mit hinein. Der Keller der Rampischen Straße 29 wird bei jedem Hochwasser vollaufen. Man kann einen Investor doch nicht zwingen, dass er das mitmacht. Diese Fundamente, durch Bombenangriffe und die dann folgenden Abbrüche ohnehin geschädigt, lagen Jahrzehnte ungeschützt im Erdreich. Das ist eine völlig andere Geschichte als bspw. ein Schloss Übigau, für das man endlich Verantwortung übernehmen muss.

  6. vitruv
    August 22nd, 2006 15:09
    6

    Konsequent pragmatisch gedacht müsste man aber zu solch extremer Haltung gelangen. Der Erhalt von alten Kellerresten erfordert Idealismus. Genau wie der Erhalt von Denkmälern allgemein. Rein pragmatisch lässt sich dieser kaum rechtfertigen, es sei denn man reduziert eine Altstadt auf seine touristische Funktion.
    Der Dresdner Neumarkt läuft Gefahr, sich auf diese Funktion zu beschränken. Bei den meisten Projekten fehlt es an Idealismus, dort zählt allein die Kulissenwirkung. Deshalb wären alte Keller nur unnötige Stör- und Kostenfaktoren. Das ist doch sehr schade.

  7. Thomas Filip
    August 22nd, 2006 16:53
    7

    Und ich finde es muss genau das Ziel sein, dass wir nicht immer wieder bei solch extremen Haltungen ankommen. Dass ist das Grundproblem des Dresdner Städtebaus. Die Vermittlung fehlt. Die, die vermitteln wollen, haben es traditionell schwer, da sie von den Lagerdenkern auf beiden Seiten angegriffen werden. Deine Argumentation ist: Man muss alles erhalten, oder man schmeißt alles auf den Müll. Diese ins Extreme führenden Argumentationsketten – egal ob von Modernisten oder Traditionalisten vorgebracht – halte ich für sehr schädlich. Sie verhindern, dass die städtebauliche Gestalt Dresdens gesundet.

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