Noch mehr Staffelgeschosse am Neumarkt?

Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V. (GHND) hat Visualisierungen ausarbeiten lassen, die die Platzwirkung des geplanten modernen Staffelgeschoss-Anbaus an das zu rekonstruierende Heinrich-Schütz-Haus Haus veranschaulichen sollen:
feddersen2.jpg

Nach Berichten der GHND ist dieser Bau von der für die Bebauung des Neumarkts zuständigen Gestaltungskommission zur Realisierung empfohlen worden, ein vom Büro Feddersen Architekten ebenfalls vorgelegter Entwurf mit Mansarddach hingegen wurde abgelehnt. Es wäre dies der zweite Staffelgeschossbau am Neumarkt und ein deutliches Signal, dass die Gestaltungskommission zunehmend auf Distanz zu der vom Stadtrat nie rechtskräftig verabschiedeten Gestaltungssatzung geht – diese sieht am Neumarkt ausschließlich geneigte, ziegelgedeckte Dächer vor. Die GHND lobt die Rekonstruktion des Heinrich-Schütz-Hauses sowie des Köhlerschen Hauses, ruft aber zeitgleich zum Protest gegen den Staffelgeschoss-Anbau auf.

feddersen1.jpg

http://neumarkt-dresden.de/Presseerklaerung-Anbau-Schuetzhaus.html

10 Responses to “Noch mehr Staffelgeschosse am Neumarkt?”

  1. Jochen
    August 19th, 2006 10:49
    1

    Daß die Gestaltungssatzung nie rechtskräftig vom Stadtrat beschlossen wurde, ist wie ich als alter “Westler” sofort erkenne, kein Zufall.Wenn das Kind im Brunnen ist, werden die gleichen Leute vehement für einen “historisch” aufzubauenden Neumarkt “kämpfen”. Auch der Aufbau des “Hotel Stadt Rom” ist für mich leider keineswegs sicher, so schön es wäre. Ich war so euphorisch. Jetzt sehe ich die gleichen “Mätzchen” wie hier im Westen. Schade.

  2. Jochen
    August 20th, 2006 09:58
    2

    Es läßt mich nicht ruhen. Wenn man einmal von dem allseits schönen VVK-Projekt absieht, bringt jeder andere Investor ein “Danaer-Geschenk” mit.(Troj. Pferd) Ob es das “Neue Palais” am Albertinum, Töpferstr. 16 von Prisco, jetzt Rundbau am Schütz-Haus oder das von der “Stadt” unbedingt durchzudrückende Gewandhaus, immer ist ein “Klops” dabei. Störend dabei ist lediglich der GHND. So wird er auch behandelt. Gottseidank gibt es ihn.

  3. vitruv
    August 20th, 2006 17:04
    3

    In Punkt 12 des städtebaulich-gestalterischen Konzeptes heisst es: “Alle den Neumarkt und die Schloßstraße umgrenzenden Bauten erhalten Sattel- oder Mansarddächer gedeckt mit roten Tonziegeln. Dachaufbauten sind ortstypisch auszuführen und müssen mit der Dachdeckung im Material harmonieren, Abweichungen bedürfen der Zustimmung des Gestaltungsbeirates.”

    Dieses Konzept scheint nur eine Alibi-Funktion gegenüber der großen Mehrheit der Befürworter eines historischen Neumarkts auszuüben. Anders kann ich mir nicht erklären, warum ausgerechnet die Hüter der angedachten Satzung die eigenen Bestimmungen ad absurdum führen. Es scheint diese auch nicht zu stören, dass der geplante Erweiterungsbau die im Bebauungsplan gesetzte Baulinie missachtet. Was hier geschieht, stellt alle bisherigen Bemühungen um ein harmonisches Platzbild massiv in Frage.

  4. Thomas Filip
    August 20th, 2006 18:10
    4

    Entscheidend für eine angemessene Bewertung dieses Entwurfs ist vor allem die weitere städtebauliche Entwicklung der Wilsdruffer Straße. Bleibt die Bebauung der Nordseite erhalten (was ich für fast wahrscheinlich halte), ist der Staffelgeschoss-Anbau die sinnvollere Lösung, weil er gestalterisch zwischen dem Barock-Stil und der wenig heiteren Nachkriegsmoderne der Wilsdruffer Straße vermittelt. Und auch das vom Investor vorgetragene Argument der besseren Nutzbarkeit kann ich durchaus nachvollziehen. Vor allem für die in ihrer Beweglichkeit eingeschränkte Senioren, die das Haus bewohnen werden, dürften die Staffelgeschosse eine Wohltat sein. Gestaltung spielt eine große Rolle am Neumarkt, aber die Funktion sollte man nicht ganz außer Acht lassen. Vergessen wir bei all dem Bemühen um gestalterische Harmonie am Neumarkt nicht, dass die erst kürzlich sanierten Häuser der Wilsdruffer Straße eine Bestandsgarantie von 30 Jahren erhalten haben! Da es bis dahin noch eine lange Zeit ist, sehe ich in diesen Entwurf nicht die städtebauliche Katastrophe, die andere heraufziehen sehen. Sollte die DDR-Bebauung nach Ablauf der Bestandsgarantie doch abgebrochen werden, müsste dieser Anbau zwangsläufig umgestaltet werden, weil dann die Blockrandstrukturen der Vorkriegszeit wieder aufgegriffen wurden. Dann kann man auch wieder neu über Mansarddächer diskutieren. Halten wir uns noch einmal vor Augen: Der Neumarkt wird kein historischer werden, einfach weil die Planung das nie vorgesehen hat. Freunde traditioneller und historischer Architektur sehen die bis jetzt überwiegend nach historischem Vorbild entstandenen Bauten und denken, der ganze Neumarkt würde in diesem Stil bebaut werden. Doch der Eindruck täuscht, was die Töpferstraße deutlich zeigt. Ich finde daher, an diesem Ort des Übergangs zum Bestand liefert der Feddersen-Entwurf eine akzeptable Lösung.

  5. vitruv
    August 20th, 2006 18:55
    5

    Das Festhalten an den Nachkriegsstrukturen macht mich immer wieder ratlos. Genau wie der Erhalt des Kulturpalastes ist es doch wider aller städtebaulichen Vernunft, die Nordseite der Wildsdruffer zu erhalten. Ich mag mir nicht ausdenken, mit welcher Gezwungenheit sich das kleine Neumarkt-Gebiet zukünftig in die Stadt einfügen wird. Das Argument der besseren Vermittlung zu der Nachkriegsmoderne halte ich für höchst gefährlich. Wird das Haus Frauenstraße 7 auch ein Staffeldach bekommen, um besser zum Kulturpalast zu vermitteln? Oder die gegenüberliegende Bebauung? Das städtebaulich-gestalterische Konzept scheint längst der Vergangenheit anzugehören und die Ausnahme zur Regel zu werden.

  6. Thomas Filip
    August 20th, 2006 19:41
    6

    Zum Thema Nachkriegsstrukturen: Der Kulturpalast wird bleiben – nicht weil ich das befürworte, sondern weil ich den Prozess der Meinungsbildung zu diesem Punkt als abgeschlossen empfinde. Für alle künftigen Gebäude, die an den Kulturpalast angrenzen, wird man daher eine Gestaltung erwarten können, die zu vermitteln sucht. Eine Ausdehnung der historischen Strukturen über das Neumarkt-Gebiet hinaus halte ich für unwahrscheinlich. Ich denke, irgendwann muss man aufhören zu lamentieren und nach konstruktiven Lösungen suchen, die dafür sorgen, dass Neumarkt und die angrenzenden modernen Altstadtstrukturen nicht allzu hart aufeinander prallen. Daher glaube ich – so sehr ich persönlich auch das Mansarddach schätze – dass man sich um hochwertige Vermittlungsarchitektur bemühen muss anstatt solange auf der Historie zu bestehen, bis der Zug abgefahren ist.
    Danke übrigens, Vitruv, für die sehr rege Anteilnahme an meinem Blog. Ich freu mich sehr über das Interesse! :-)

  7. MarcelB.
    August 20th, 2006 19:53
    7

    Ich schau mir das hier schon eine ganze weile an und hab in letzter Zeit aus guten gründen keine Kommentare mehr abgegeben. Aber nun ist es wieder mal an der Zeit.
    Ich finde das das Büro Feddersen Architekten einen richtigen Ansatz in Sachen Neumarktbebauung hervorgebracht hat. Es wird durch die runde Form und das Staffeldach ein perfekter Übergang zu den Häusern an der Wilsdruffer Straße geschaffen, der dem Neumarkt endlich mal etwas Moderne und Metropolencharakter gibt. Als ich nämlich den Entwurf das erste mal sah musst ich sofort an das Ku’Damm Eck in Berlin denken. Zu dem Grundstück des ehemaligen “Hotel Stadt Rom” muss ich sagen das ich hoffe das das nie wieder Aufgebaut wird. Denn die Wilsdruffer Straße mit Ihren Gebäuden ist in der jetzigen Form ein sehr schöner Stadtraum. Wobei ich sagen muss das die Straße am “Hotel de Sax” zur Wilsdruffer Straße hin mit dem blick zum Rathausturm sehr schön ist. Die Visierung der GHND ist sowieso noch nicht 100% so wie das Haus aussehen soll. Denn zu einer 100% Visualisierung hatten sie nicht das recht bekommen.
    Ich denke mir das der Entwurf vom Büro Feddersen Architekten noch besser ist. Ich freue mich schon auf diese Gebäude und wünsche dem Neumarkt ein Weltoffenes und Menschliches Gesicht.

  8. Jochen
    August 21st, 2006 12:21
    8

    Lieber Thomas Filip, dies ist vielleicht nicht der Ort, um grundsätzliche Fragen zu erörtern, aber ich habe bisher nicht in Erfahrung bringen können, warum die Stadt die Bauten auf der Wilsdruffer Str. durch die WOBA sanieren ließ und einen 30-jährigen !!!! Bestandsschutz einräumte, obgleich mit zunehmender Bebauung auf dem Neumarkt ein “Zusammenstoß” der Stile programmiert war und auch die “Verengung” der “Wilsche” aus einer ganzen Reihe von Gründen geboten ist. Dein Beitrag vom 20. hat jedenfalls bewirkt, daß ich mir ins Gedächnis zurückgerufen habe, daß ursprünglich lediglich 8 “Leitbauten” vorgesehen waren und somit viel “Wunschdenken” in die Beurteilungen einfließt. Es wäre schön, wenn ich zu dem Bestandschutz etwas erfahren könnte. Warum ? Danke.

  9. Thomas Filip
    August 21st, 2006 12:57
    9

    Ich kann das leider nicht mehr im Detail recherchieren, ich denke aber dass der Bestandsschutz ausgesprochen wurde um zu verhindern, dass ein teuer saniertes Wohngebäude nach wenigen Jahren wieder abgerissen werden muss. Auch der Schutz der Mieter, die während der Sanierung aus ihren Wohnungen raus mussten, dürfte eine Rolle gespielt haben. Man muss sich vor Augen halten: Als die Sanierungen an der Wilsdruffer begannen, war am Neumarkt (fast) noch nichts in Sicht, mit den maroden Häusern an der Wilsdruffer musste aber etwas geschehen. Sicherlich eine schwierige Entscheidung. Wie hätte man einen Abriss rechtfertigen sollen, wo der Bereich um die Frauenkirche doch ohnehin eine einzige Brachfläche war?
    Ich persönlich glaube, dass es mindestens noch 15-20 Jahre dauern wird, bis am Neumarkt kein Bauland mehr verfügbar ist. Erst dann wird möglicherweise ein Investitionsdruck auf diese bebauten Flächen entstehen. Momentan jedenfalls glaube ich kaum, dass in Dresden irgendjemand außer ein paar Hundert Neumarkt-Freaks die Nordseite der zentralen Ost-West-Achse in der Dresdner Altstadt abgerissen sehen möchte! Ich meine: Wen es am Neumarkt zu bauen gelüstet, der hat reichlich Auswahl und möge sich am immer noch reichlich vorhandenen Brachland bedienen, anstatt bestehende, funktionierende Gebäude abzureißen.

  10. Daniel
    August 21st, 2006 13:49
    10

    Ich finde die vorgestellte Lösung der Architekten Feddersen sehr gut. Die Bebauung an der Nordseite der Willsdruffer Straße wird wahrscheinlich noch sehr lange Bestand haben. Einmal abgesehen von der Nicht-Übereinstimmung mit den historischen Fluchtlinien sind die Bauten auch meiner Meinung nach ein wertvoller Bestandteil der Bebauung von Dresden. Ich wüsste nicht, was es rechtfertigen würde, sie im Moment abzubrechen und zu ersetzen. Die Architekten des Schütz-Hauses haben einen Weg gefunden, beide Zeitschichten: die Jahre der DDR und die neu-alte Bauflucht harmonisch zu verbinden. Bruchfreier als beim Hotel de Saxe wie ich meine. Den Dachabschluß mit Staffeldach und umlaufenden Balkonen finde ich sehr elegant. Ich glaube, dass dieses Haus eine Bereicherung des Quartieres und des gesamten Neumarktes sein wird.

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