Von der Wildsruffer zum Neumarkt: Dialog oder Bruch?

Die Diskussion über die Planungen für das Quartier V/2, die einen Anbau an das Schütz-Haus mit ovalem Grundriss und Staffelgeschossen vorsehen, rückt die Frage nach der Zukunft der Nordseite der Wilsdruffer Straße neu in den Mittelpunkt. Was geschieht langfristig mit den erst kürzlich sanierten WOBA-Häusern? Blieben sie langfristig erhalten, wäre der elegant geschwungene Baukörper zweifelsohne eine kluge und konsequente Überleitung vom Baustil der frühen DDR zum barock geprägten Ensemble des Neumarkts. Würde hingegen der historische Straßengrundriss mittelfristig wieder aufgegriffen, könnte sich der ovale Anbau als schwer integrierbar erweisen.

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Bildnachweis: www.dresden.de/pdf/infoblaetter/b660_entwurf_rechtsplan_blatt2.pdf

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Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang der vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 660, in dem es u.a. heißt:

“Für die Wohnzeilen Wilsdruffer Straße Nordseite wird ein langfristiger Erhalt nicht befürwortet und ein strukturgerechter Ersatz unter Wiederherstellung der Moritzstraße, der Kleinen Kirchgasse und der Schuhmachergasse angestrebt. Bis zum Zeitpunkt der Umsetzung diesen Konzeptes jedoch gilt es, die Qualität der Bebauung der Nordseite Wilsdruffer Straße, z. B. die Durchgängig vorhandenen Arkaden, zu erhalten. Der Investor für das Quartier beabsichtigt, die Leitbauten Heinrich Schütz Haus (Neumarkt 12) und das Köhlersche Haus (Frauenstraße 14) in den historischen Parzellengrenzen wieder zu errichten und südlich durch einen dritten Baukörper (Neumarkt 11) zu ergänzen. Südlich vom Heinrich Schütz Haus folgt dieser Ergänzungsbau exakt der geschwungenen historischen Baulinie um diese dann in einer neu konzipierten Rundung bis an die (historisch motivierte) Brandwand des Köhlerschen Hauses zu vollenden. Die städtebaulichen Figur folgt der Intention des Investors, zwischen dem wiedererstehenden historischen Stadtgrundriss und der bestehenden Bebauung an der Wilsdruffer Straße zu vermitteln, d.h. weniger den jähen Bruch im Stadtgrundriss durch Errichtung einer Brandwand zu illustrieren als vielmehr ein „heilendes“ Bindeglied zu schaffen.”

Quelle: www.dresden.de/pdf/infoblaetter/b660_entwurf_begruendung.pdf

Weitere Informationen, die von der Landeshauptstadt zum Projekt öffentlich bereitgestellt werden:

www.dresden.de/pdf/infoblaetter/b660_entwurf_rechtsplan_blatt1.pdf
www.dresden.de/pdf/infoblaetter/b660_entwurf_vorhabenplan_blatt3.pdf

28 Responses to “Von der Wildsruffer zum Neumarkt: Dialog oder Bruch?”

  1. Jochen
    August 26th, 2006 21:07
    1

    Wenn im Bebauungsplan 660 der langfristige Erhalt der Nordseite der Wilsdruffer Str. nicht befürwortet wird, dann möchte ich mal wissen, was ein Zeitraum von 30 Jahren !!!, solange wurde eine Bestandsgarantie ausgesprochen, für ein “Zeitfenster” ist. Du hattest in der Antwort auf meine Frage nach dem Zustandekommen dieses Irrwitzes lieber Thomas Filip, auch davon gesprochen, daß die städtebauliche Gestalt Dresdens “gesunden” muß. Diese “Gesundung” kann m.E. mit der überbreiten Aufmarschstr. (60m breit) und dieser “Nordseite” nie gelingen. Ich staune immer wieder, daß diese Notwendigkeit von offensichtlich “Einheimischen” in den Beiträgen nicht so gesehen wird. Da hat sich im Laufe der Trennung scheinbar ein vollkommen anderes Schönheits- und Gestaltungsbild gebildet. Wie bei der “Waldschlößchenbrücke” sehen Einheimische alles nicht so “eng”. (Siehe auch “Welt” vom 25.8.06) Ich bedaure sehr, daß die “Stadt” keinen klaren “Fahrplan” hat und bei “Wesentlichem” bewußt im Unklaren bleibt, um “flexibel” zu bleiben.

  2. Thomas Filip
    August 26th, 2006 22:20
    2

    Ich halte die Wilsdruffer Straße für überdimensioniert und habe das auch in früheren Beiträgen bereits deutlich gemacht. Allerdings halte ich den innerstädtischen Flächenbedarf angesichts der nach wie vor überreichlich vorhandenen Brachen selbst im unmittelbaren kulturhistorischen Zentrum für zu gering, um kurzfristig einen Abriss dieser Häuser zu rechtfertigen. Daher muss man hier längerfristig denken. Der historische Stadtgrundriss ist der erstrebenswertere, aber es wäre ein unmöglicher Gewaltakt, ihn in wenigen Jahren wiederzugewinnen. Ich selbst bin übrigens ein “Zugezogener”, lebe erst seit 2 1/2 Jahren in Dresden, aber im Gegensatz zu vielen, die die Stadt von außen ausschließlich anhand ästhetischer Kriterien beurteilen, habe ich eben auch die wirtschaftliche Dimension im Blick. Daher kann ich manche Vorgehensweisen der Stadt, die auf den ersten Blick absurd erscheinen, besser nachvollziehen - ich bin aber dennoch weit davon entfernt alles gutzuheißen, was hier geplant wird. Im Falle des Q V/2 sehe ich ein akzeptables Vorgehen.

  3. vitruv
    August 27th, 2006 11:16
    3

    Der Anbau ist eine Provokation. Und das mit banalsten architektonischen Mitteln. Ein völlig inakzeptabler Bruch und eine Negierung des historischen Stadtgrundrisses. Mal wieder aufs neue wird die Bebauung der DDR-Zeit als bezugswürdig erachtet, anstatt die Fehler zu beseitigen. Im Altstadtbereich sollte man ausnahmsweise neben wirtschaftlichen Zwängen auch ästhetische Fragen berücksichtigen, was dieser Anbau in keinster Weise leistet.

  4. Pulcinello
    August 27th, 2006 12:00
    4

    Warum finden alle die DDR-Architektur an der Wilsdruffer so entsetzlich schlecht? Gerade nach der Renovierung haben diese Gebäude doch stark gewonnen und das nicht nur, weil sie nur gewinnen konnten. Die Arkaden, die Farbgebung und Fassadengliederung sind nicht von den schlechtesten Eltern. Natürlich ist die Straße sehr breit, aber der richtige Baumbestand, die richtige Verkehrsführung macht doch aus vielen Straßen wirklich Stadträume. Ist die (verkehrsberuhigte) Hauptstraße in der Neustadt schmaler? Ist die Leopoldstraße in München schmaler?? Die Straße unter den Linden??? Passt in die Mitte der Straße nicht eine Art baumflankierter Rambla wie in Barcelona, die schließlich zu einem neuen Pirnaischen Platz führt? Wilde Ideen!
    Der Neumarkt wird seine Atmosphäre am Ende auch Gebäuden wie dem modernen Anbau an das Schützhaus verdanken, Bauten, die tatsächlich überleiten, eine Verbindung zu anderem herstellen. Die eine an Brandmauern abprallende Suggestion von einer Schachtel mit Dresdner Christstollen verhindern helfen. Andernfalls droht der Neumarkt wirklich zu einem einzigen Bruch zu werden, mit der Reststadt, da kann er noch so barock sein. Die “Reststadt” ist eine Realität, die unbedingt berücksichtigt werden sollte, es wird sich dann erweisen, welche Raumwirkung auf Dauer stärker ist. Warum sollte man nicht in 30/40 Jahren den Mut haben den Neubau auch wieder zu beseitigen, wenn man unbedingt meint. Ich aber glaube, dass die Willsdruffer so noch Jahrzehnte existieren wird und ich bedauere dies noch nicht einmal.

    Zum Staffelgeschoss als solchem würde ich sagen, dass sich mit dem dritten Gebäude in diesem Stil am Neumarkt, fast schon so etwas wie ein neuer Ortsstil präsentiert. Die oft gehörte Schmähung, dass man solche Gebäude überall finden könnte, stimmt doch einfach nicht. Barocke Gebäude findet man auch in vielen Städten, die Verbindung aus Staffelgeschoss und barockem Dach sicher nicht. Noch ein Staffelgeschoss, vielleicht noch eins und es wird zu einem Markenzeichen. In der Musik wird aus einer Tonfolge ein Motiv, wenn man die Folge wiederholt, sich einprägen lässt. Nun kommt das Motiv das dritte Mal und wir haben schon fast ein veritables Thema.

  5. vitruv
    August 27th, 2006 12:55
    5

    Nicht der Neumarkt bildet den Bruch, sondern die Reststadt der DDR-Zeit. Abgesehen davon vermittelt der geplante Anbau in keinster Weise mit dem DDR-Bau. Dieser ist dagegen ja geradezu vorbildlich: Walmdach, Sandsteingewände, kein Flachdach. Was soll dort vermitteln, außer dass auf gezwungene Weise durch das Oval die Unvereinbarkeit mit der historischen Straßenführung uberspielt wird? Brandmauern kann man im übrigen interessant gestalten als vorübergehende Fassade. Es ist einfach eine unumstößliche Tatsache, dass die Straßenführung der DDR-Zeit einen städtebaulichen Fehler darstellt, der zu korrigieren ist.

  6. Pulcinello
    August 27th, 2006 13:10
    6

    Es ist schon kühn, die Reststadt als Bruch zu bezeichnen, warum? Weil das Alte gut ist, weil es alt ist, tradiert und irgendwann einmal organisch gewachsen war?? Wann ist etwas gewachsen?? Wenn es Jahrhunderte auf dem Buckel hatte oder reichen schon Jahrzehnte? Die Argumentation ist mir nicht plausibel geworden. Auch die unumstößliche Tatsache, dass die DDR-Straßenführung ein Fehler ist, ist nur deshalb eine, weil man sich mit dem, was man baut eben so entschieden hat. Fakten schaffen Tatsachen, aber irgendwelche Wahrheiten stecken doch da nicht dahinter. Feeling, alles Feeling.
    Über die ästhetische Art zu vermitteln, lässt sich natürlich streiten, da werden wir zu keinem Ergebnis kommen. Ich würde mir auch Farbe wünschen, nicht nur wieder weiß auf dem runden Baukörper. Dagegen kann eine steil abfallende Brandmauer doch kein Gebäude ersetzen. Selbst wenn Keith Harring oder wer auch immer ein wenig was hinmalen.
    Ich bin nicht ganz im Bilde, was die historische Straßenführung angeht, die ist doch einfach durch das DDR-Gebäude verstellt und die Rundung ist doch historisch. Gerne Aufklärung gefällig.

  7. vitruv
    August 27th, 2006 13:20
    7

    Das “Alte” ist das vor dem Bruch Existierende. Der Bruch war ideologisch bedingt, nur ist diese Ideologie heute selbst Geschichte. Warum sollen wir den Bruch für die Zukunft bewahren, anstatt die weit zurückführende Geschichte im Stadtgrundriss wieder freizulegen?

    Hier findest du den Bebauungsplan inklusive der historischen Straßenführung:
    http://www.dresden.de/pdf/infoblaetter/neumarkt_staedteb_gest_konz_plan.pdf

  8. Pulcinello
    August 27th, 2006 14:36
    8

    Also diese Argumentation hinkt doch nun gewaltig. Nur weil ein Bruch ideologisch bedingt war und Geschichte ist, misst Du ihm einen geringen Wert oder gar die Wertlosigkeit bei? Auch autokratische Herrschaftsformen sind heute erledigt, Monarchie z.B. Dennoch reißt doch keiner die alten Schlösser ab (im Gegenteil…), obwohl man für sie nicht selten ganze Stadtviertel schleifte. Du musst schon sagen, dass die Verbindung zu dieser speziellen Ideologie für Dich das Problem ist. Unsere geliebten Stadtbilder sind doch größtenteils auch das Bild verschiedener Ideologien, ich erinnere wieder an die riesige Münchner Ludwigstraße (nicht Leopold, habe mich vorhin getäuscht, sorry). Wie muss die den Bewohnern der umliegenden Holzhütten und niedrigen Häuschen Mitte des 19. Jahrhunderts vorgekommen sein!? Wie der schlimmste Ausdruck autokratischer Ideologie, die überhaupt keine Rücksicht nimmt, auf die Bedürfnisse des Bürgers. Ich will damit nicht sagen, dass das Ding weg muss, ich will nur sagen, dass man sehr genau hinsehen muss, warum die Ideologie, die ein Gebäude vermeindlich verwirklichte, dazu instrumentalisiert werden kann, dieses Gebäude zu verdammen. Sollen die Nazi-Bauten weg, weil die Ideologie so entsetzlich war? Soll man der Goldelse in Berlin wieder die vierte Trommel nehmen, weil sie von den Nazis als Ausdruck des nachträglichen Triumphes im 1. Weltkrieg aufgesetzt wurde?? Muss das Ding wieder zurück an den Reichstag, wo es einmal stand???

    Seien wir doch mal ehrlich. Alle Diskussionen verschleiern einfach ein Gefühl, das Gefühl, dass wir lieber auf barocke Fassaden schauen als auf schmucklose neue. Nicht mehr und nicht weniger.

  9. vitruv
    August 27th, 2006 17:44
    9

    Stimmt, der DDR-Sozialismus war das Letzte. Ein System der Unterdrückung und der Kulturzerstörung. Dieses System verachte ich. Klar, dass ich deshalb die architektonischen Sünden dieser Zeit ebenso ablehne. Aber vorwiegend gehts mir um die ästhetischen und städtebaulichen Probleme, die eine “sozialistische Stadt” mit sich bringt. Also: Abriss der DDR-Bauten an der Wildruffer Nordseite!
    Und die Nazi-Bauten können meinetwegen auch verschwinden.

  10. Jochen
    August 27th, 2006 20:12
    10

    Nach der fast vollständigen Vernichtung der Dresdner Innenstadt durch Bomben und Idiologie stellt sich einzig die Frage jetzt, ob man den immerwährenden “Phantomschmerz” heilt oder nicht. Dazu müßte sich die Stadt anstatt “rumzueiern” klar sagen, was Dresden eigentlich ausmacht. Stattdessen hat man Angst, als rückwärts gewandt angeprangert zu werden, und findet zu keiner städtebaulichen Harmonie. Wer gilt heute schon gern als “unmodern”. Die “progressive” Architektenlobby tut ihr übriges.(Hier ein Kubus, dort ein Kubus, alles sieht gleich aus) Ohne den Abriß der “Nordseite” wird es drei Innenstädte geben, den Komplex Prager Str., den verkorksten Altmarktbereich mit seinen unmäßigen Dimensionen und dann der Neumarkt, abgetrennt durch die “Luftlandeschneise” Wilsdruffer Str. und den Häusern. Es gehört eigentlich nicht viel dazu, das nicht zu wollen.

  11. Jochen
    August 27th, 2006 20:30
    11

    PS. Wenn ein Wille da wäre, ging eigentlich alles. Ich hatte schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, daß in der Neustadt ein Teil im linken Eingangsbereich, wo eigentlich das Neustädter Rathaus stand, scheinbar ohne Probleme ein Gebäudezug freigezogen werden konnte, um Platz zu schaffen für ein Werk des “Destruktivisten” Daniel Libeskind.Gottseidank kommt es scheinbar aus einer Reihe von Gründen nicht dazu. Der leerstehende Block stört scheinbar keinen.

  12. mannschu
    August 28th, 2006 10:54
    12

    Ich kann die totale Negation der Wilsdruffer Straße nicht nachvollziehen. Natürlich wurde sie als Ausdruck einer neuen Gesellschaftsordnung und der Macht des neuen aufgezwungenen Systems erdacht und erbaut. Entsprach es aber nicht auch der Tendenz der Zeit breite Straßen anzulegen und die Enge der mittelalterlichen Gassen, die oftmals zu Todesfallen während des Bombenkrieges geworden waren endgültig abzuschütteln? Die Sehnsucht nach Weite, die damals durchaus vorherrschte, sollte man nicht unterschätzen. Das sich dieser weg später als Irrweg erwiesen hat darf uns nicht dazu bewegen eines der bedeutensten Ensembles des DDR-Aufbauwerkes zu verstümmeln, zumal damit die städtebauliche Einbindung des Kulturpalastes noch fragwürdiger werden würde.
    Außerdem ist es mir nicht verständlich wie man die Moritzstraße, die eine der breitsten der befestigten Stadt war wieder herstellen kann, da ihre Weiterführung über die Wilsdruffer doch nur durch den Abriss der gesamten DDR-Bebauung auch jenseits der Straße möglich wäre. Kann man einen solchen Plan unterstützen oder mit einer viel zu kurzen Moritzstraße leben (sie wurde früher durch die Johann-Georgen-Allee über den Ring fortgeführt)?

  13. Jochen
    August 28th, 2006 16:03
    13

    Lieber Mitkommentator “Mannschu”, es geht doch gar nicht um eine völlige Negation der Wilsdruffer Str. Es geht um eine viel zu breite Straße, die in ihrer Form nur trennen kann und auch vom Verkehrsaufkommen nie eine besondere Bedeutung haben wird, da die “Verkehrsströme” in Dresden nicht in Ost-West-Richtung, sondern in Nord-Süd-Richtung laufen. Wenn Du feststellst, daß es sich bei den Bauten um eines der” bedeutensten Ensembles” des DDR-Aufbauwerkes handelt, dann mag dies für die Südseite bis zum ehem.”Haus des Buches” unter Berücksichtigung der damaligen Umstände noch angehen, alles andere ist m.E. trotz der “Laubengänge” triste Schlichtheit. Es geht also nicht nur darum, der “Inneren Altstadt” ein Gesicht zu geben, sondern diesem Bereich “ihr” Gesicht zu geben und zumindest ansatzweise die vernichtete “Bürgerstadt” erlebbar zu machen. Ich setze trotz vielem Pessimismus letztlich auf die Macht des “Faktischen”. Wenn das VVK-Projekt demnächst “strahlt” wird ein weiterer Schub in Richtung Harmonie einsetzen. Man muß sich nur daran erinnern, daß nach Aussage von Prof. Güttler Anfang 1991/92 90% der Dresdner einen Wiederaufbau abgelehnt haben. Jetzt steht sie zur Freude vieler Dresdner wieder und ist ein “Supermagnet” für die Stadt.

  14. vitruv
    August 28th, 2006 16:11
    14

    Ich bin auch gegen einen Totalabriss der DDR-Architektur. Im Gegenteil, wenn die Nordseite der Wilsdruffer durch kleinteilige Bauten den Neumarkt abschließen würde, käme ein fast nahtloses Zusammenwachsen mit der gelungenen Südseite zustand. Vorkriegszeit, DDR-Zeit und Gegenwart fänden zu einer einmaligen Synthese. Nur der Kulturpalast müsste zumindest um eine Ecke beschnitten werden, um die Galeriestraße wieder herzustellen. Auch könnte man den Garten samt Tor vor dem Verkehrsmuseum wieder anlegen.

  15. Jochen
    August 28th, 2006 16:23
    15

    Lieber Vitruv, Du meinst gewiß das Tor und den Garten vor dem “Landhaus” jetzt Stadtmuseum. Das Tor steht ja noch in Großsedlitz. In meinen Beitrag zur Wilsdruffer Str. ist ein kleiner Fehler. 90% der Dresdner lehnten seinerzeit den Wiederaufbau der Frauienkirche ab. Ähnlich sind die “Stimmungen” in der Stadt zum Kulturpalast und zur Nordseite .

  16. vitruv
    August 28th, 2006 17:32
    16

    Sorry, klar meine ich das Stadtmuseum. Vorm Johanneum sähe ein Garten auch komisch aus :-)
    Das Meinungsbild scheint ja ziemlich gespalten zu sein. Oder kann man gleichzeitig für Kulturpalast und historischen Neumarkt sein? Eigentlich ein Widerspruch. Oder ist die Masse einfach leicht überzeugbar, sowohl von der einen wie von der anderen Seite? Ich glaube, dass die Vernunft siegen wird, wenn der Neumarkt weitestgehend realisiert ist. Und die Riegel auf der Wilsdruffer Nordseite wird garantiert niemand vermissen.

  17. mannschu
    August 28th, 2006 22:51
    17

    @Jochen
    Du glaubst doch nicht im Ernst, dass bei der gegenwärtigen Situation auf dem Immobilienmarkt im Dresdner Raum das Neumarktprojekt eine Chance hat in seiner Eigenart über den Neumarkt hinaus weiter zu gedeien? Was ansonsten entstehen könnte (abgesehen von VVK als glücklicher Ausnahme) sieht man an der Südseite des Altmarktes. Ich “flaniere” jedenfalls viel lieber über den ach so breiten Ost-West-Verkehrszug der Wilsdruffer Straße.

  18. Peter
    August 29th, 2006 06:45
    18

    Es ist sehr tragisch, dass in Deutschland offensichtlich keine Wiederherstellung eines wunderbaren und weltberühmten Ensembles möglich sein soll, ohne dass mit jedem neuen Investor “moderne” Bauten uns beglücken sollen, die aber nicht mal “modern” sind sondern einfach nur unpassend. In Warschau, Danzig und Breslau ging das anders: Ich habe Fotos von Danzig gesehen, ebenso wie in Dresden stand dort nach 1945 kein Stein mehr auf dem anderen. Und heute? Traumhaft! Man hat dort konsequent wiederaufgebaut, ohne Wenn und Aber. Dort wurde auf “Brüche” verzichtet. Ich verstehe sowieso nich, wozu es notwendig sein soll, Brüche künstlich zu erzeugen? Die entstünden sowieso, selbst dann wenn man das gar nicht wollte: Angenommen man würde den kompletten Neumarkt rekonstruieren (was nicht mal Ich fordere), dann gäbe es Brüche in solchen Massen wie in keiner anderen Stadt: Hinterm Pirnaischen Platz ist Schluss, dort beginnt eine andere Welt - einen krasseren Bruch als an dieser Stelle hab ihc nirgendwo gesehen.

    Was der “moderne” Rundbau am Schützhaus betrifft: Der ist nicht “modern”, so was gab es schon in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Er passt nicht in das Ensemble, jedes Kind kann das sehen.

    Ich bin nicht gegen diesen Bau weil er “modern” ist (was sowieso nicht ist), sondern weil er nicht passt.

    Moderne Bauten können durchaus passen: Am Neumarkt sind bereits jetzt eine ganze Menge von Bauten, die ich ausserordentlich gut finde als Füllbauten: der Kopfbau von Prisco ist sehr gut, wenn man bedenkt dass es ein moderner Bau ist, ebenso das Haus von Wörner in der Landhaussstrasse (eigentlich der beste meiner Meinung nach). Was auch hervorragend ist, ist das Haus nördlich des Goldenen Rings; also das Haus zwischen Reko und Staffeldach-Monstren. (Prisco hat einige Gute Füllbauten, aber die Monstren verzeihe ihc ihm nicht. Es war ein reines Machtspielchen für ihn: “ha, mal sehen ob ich’s den “Historik-Fans” nicht zeige”…..). Aber bei allem Ärger: einige der Füllbauten sind hervorragend. Und schließlich: Die Neubauten von Köckeritz. Sie sahen bereits im Entwurf gut aus, und in Real sind Sie ebenfalls gelungen. Also: Es gibt bereits jetzt unzählige Beispiele, dass Neubauten sich gut einfügen können - wenn man will. Das Architekturbüro Feddersehen will das offensichtlich nicht, sondern möchte “provozieren” - mit “Brüchen, Wunden, Stilbruch”. Wenn ich ehrlich bin - mir geht’s langsam auf den Nerv. Ich hoffe wirklich, dass auch dieser Bau verhindert wird. Gleich wenige Meter entfernt sind unzählige Brachen - wieso muss so etwas ausgerechnet in ein Viertel mit Dresdner Bürgerhäusern? Ich versuche grade mir die unzerstörte, schöne Altstadt von Amsterdam vorzustellen, mit solchen Glasklötzen zwischen den Bürgerhäusern - der Flair der Altstadt wäre hin.

    An alle, die die von mir genannten Füllbauten nicht so toll, oder gar “schlecht” finden: Ich finde auch die echten Dresdner Bürgerhäuser schöner, so wie die Prisco Südseite und die Dresdner Bürgerhäuser der VVK. Aber ich sage Euch: Wir können froh sein, wenn die Füllbauten alle so werden wie die oben genannten. Damit wäre der Neumarkt eigentlich schon gerettet. Ich muss auch nicht an jedem Haus Ornamente haben, war es früher vor dem KRieg übrigens auch nicht. VVK ist ein gutes Beispiel: Dresdner Bürgerhäuser, mit ein paar einfachen Altstadthäuser dazwischen, das ist optimal. Seid froh, wenn wir so etwas bekommen! Das sind Bauten, die fügen sich formensprachlich wirklich recht gut ein - man kann dagegen wirklich nichts einwenden.

    Allerdings ist der Rundbau vom Schützhaus ein Stil, der sich grob von der Formensprache abwendet. Deswegen bin ihc strikt gegen diesen Bau. Und hoffe, dass er verhindert werden wird. Schreibt bitte alle an Feddersen Architekten und an den Investor. Meine Briefe sind schon unterwegs.

    mit besten Grüßen

    Peter

  19. Jochen
    August 29th, 2006 13:48
    19

    Lieber “Mannschu, Du bist mir ja wie es aussieht, näher als gedacht. Wir uns offensichtlich darin einig, daß die “Moderne” nicht unbedingt das”Gelbe vom Ei” ist. Beispiel die Südseite des Altmarktes.Es ist auch nicht so, daß ich mir nun unbedingt “nur” historische Fassaden vorstellen kann. Die Stile müssen nur miteinander harmonieren.Und da liegt der “Hase im Pfeffer”. Als gelungen erachte ich z.B. den Übergang im QF gegenüber der Frauenkirche. Ablehnen muß man in dem gesamten Bereich jegliche “Extravaganzen”. Ich weiß auch nicht, warum die dort sein müssen. Die Avantgarde des Modernen kann sich in den 95% der Reststadt “austoben”.

  20. Jochen
    August 29th, 2006 13:55
    20

    Wenn die Wilsdruffer Str. sinnvollerweise wieder verengt würde, die beiden Riegel entfernt und die Bebauung des Neumarktess dort als tatsächliche “Innere Altstadt” endet, könntest Du weiter dort flanieren, ohne daß Du einen Feldstecher benötigst, um Personen auf der anderen Seite zu identifizieren.

  21. Thomas Filip
    August 29th, 2006 14:48
    21

    Ich finde den Begriff “Reststadt” doch sehr fragwürdig. Die Landeshauptstadt Dresden als problematisches Anhängsel an die Museumsinsel Neumarkt? Ein bisschen mehr Respekt vor der in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Struktur der Stadt – so fragwürdig sie vielerorts auch sein mag – täte der Diskussion gut. Freunde historischer Architektur reden gerne vom “menschlichen Maßstab”, den traditionelle Baustile wahrten, ich finde aber dass die Verachtung, die vielen Beiträgen gegenüber dem Bauschaffen der Nachkriegszeit innewohnt, nicht gerade einen “menschlichen Maßstab” ausdrückt. So sehr mir ästhetisch gestaltete Fassaden auch lieb sind – eine reine Fassadendiskussionen zieht völlig an dem vorbei, was Architektur neben dem Bilden und Prägen von Stadtraum doch vordringlich leisten soll: dem Menschen Wohnstätte, Arbeitsraum, Zuhause, Heimat zu bieten. Dass die Nordseite der Wilsdruffer vielen hundert Menschen die Möglichkeit innerstädtischen Wohnens bietet – eine Funktion, die viele westdeutsche Städte in ihren innersten Zentren weitestgehend verloren haben – spricht niemand an. Dabei macht gerade das eine lebendige Innenstadt aus: Nicht nur teure Boutiquen, exklusive Kaufhäuser und unbezahlbare Maisonette- und Penthouse-Wohnungen, sondern erschwingliche Wohnungen für den “Otto-Normal-Dresdner”. Wer denkt über derartige Fragen nach, wenn er den zeitnahen Abriss der Nordseite fordert, obwohl ein Großteil des Neumarkts noch immer unbebaut ist? Die wilden Abrissgelüste allzu historischer Neumarkt-Freunde haben mich schon immer sehr befremdet. Die “Reststadt”-Rhetorik finde ich mindestens ebenso befremdlich.

  22. mannschu
    August 29th, 2006 16:15
    22

    Danke, meine Augen sind noch gut genug um eine Distanz von immensen 60m zu überbrücken.
    Ansonsten sehe ich in der Bebauung der Südseite des Altmarktes nicht viel von moderner extravaganter Architektur, sondern einen unentschiedenen Zippel-Zappel-Stil, der zwischen Angepasstheit, Repräsentationswunsch und primitiver Investorenarchitektur pendelt. Vielleicht war es also ein Fehler am Altmarkt solche riesigen Monoblöcke zugelassen zu haben. Wie sähe aber die Nordseite der Wilsdruffer aus, wenn wir dort eine kleinteilige Bürgerhausbebauung a la Neumarkt verwirklichen würden? Das sieht für mich irgendwie grotesk aus. Die Bauten auf der Wilsdruffer brauchen einfach Abstand und ich empfinde das Gesamtensemble als durchaus erhaltenswert. Am Ende könnte man sich vielleicht auch die Frage stellen, was zuerst da war: die Wilsdruffer oder die angepassten Neubauten des Neumarktes mit ihrem Altmarktcharme im Kleinen?

  23. vitruv
    August 29th, 2006 18:02
    23

    Den Begriff “Reststadt” finde ich einen guten Beitrag zum Thema. Das Wort ist ausgezeichnet, denn es operiert mit dem “Bruch”, den Architekten so lieben. Die Dredner Altstadt ist eine Insel umzingelt von den Bausünden der “Reststadt”. Ein schöner Stadtteil kann natürlich als “Museumsinsel” diffamiert werden, das Hauptproblem sehe ich aber in den Plattenbauten drumherum, in der Reststadt. Ob da billiger Wohnraum vorhanden ist, ist mir egal. Denn der Schaden im Stadtbild steht in keinem Verhältnis zu dem Nutzen für die Mieter. Genauso sehe ich das auch in der Nordseite der Wilsdruffer. Ein Abriss ist alternativlos. Solche Häuser bieten nur den Bewohnern Heimat, von außen sind sie nur hässlich.

  24. Thomas Filip
    August 29th, 2006 18:14
    24

    Ich diffamiere den Neumarkt nicht als Museumsinsel, meine Begeisterung über diesen neu entstehenden Dresdner Stadtteil dürfte in hiesigem Blog überdeutlich geworden sein. Ich sehe aber die GEFAHR, dass der Neumarkt sich in Richtung einer überwiegend touristisch frequentierten Museumsinsel negativ entwickelt, wenn durch Dogmatismus (egal von welcher Seite) ein Zusammenwachsen der verschiedenen architektonischen Zeitschichten in DD verhindert wird.

  25. vitruv
    August 30th, 2006 12:06
    25

    Aber du glaubst doch nicht im Ernst, dass der komische Verbindungsbau am Schützhaus ein Zusammenwachsen ermöglichen würde. Das Ding korrespondier null komma nichts mit den DDR-Bauten. Dass der Bau genehmigt wurde, beweist lediglich die komplette Unfähigkeit bzw. den Dogmatismus der sogenannten GEstaltungskommission. Oder glaubst du, dass diese Kommission bisher zu einer Gesundung der Innenstadt beigetragen hat?

  26. Thomas Filip
    August 30th, 2006 12:42
    26

    Der runde Anbau sorgt dafür, dass man von der Wilsdruffer aus nicht auf eine Brandmauer prallt. Eine abweisende Brandmauer, die die kompromisslose Beachtung des Vorkriegsgrundrisses unweigerlich mit sich bringen würde, käme einer Sollbruchstelle gleich. Stattdessen wird bei dem Entwurf von Feddersen Architekten der von der Wilsdruffer Straße kommende Besucher von einer ihm zugewandten, geschwungenen Fassade begrüßt, die optisch zum Neumarkt hinleitet. Ich gebe zu, dass ich mir nicht sicher bin, wie glücklich die Fassadengestaltung gelöst ist. Die Visualisierungen machen das nicht ganz deutlich. Das stadtplanerische Grundprinzip allerdings ist völlig richtig: Statt eines ungebremsten visuellen Aufpralls ein deutlich behutsameres Überleiten zum Neumarkt durch den Schwung dieses Gebäudes.

  27. Jochen
    August 30th, 2006 19:32
    27

    Zum Thema “Gestaltungskommission”. Dies ist ein Gremieum von “Experten”, namhaften Architekten und Vertretern der Stadt. Sie werden für zwei Jahre in dieses Gremium gewählt oder besser “berufen”. Dieses Gremium ist aber wie alles, was aus der Politik kommt, lenkbar. So ist seit einiger Zeit zu beobachten, daß nur noch “progressive”, daß heißt Leute mit modernen Ansichten in dieses Gremium nachrücken.Da sind zwar dann noch “Traditionalisten”, aber in der absoluten Minderzahl. Nach außen kann der Baubürgermeister Feßenmeyer verkünden, daß das Expertengremium dies oder das so entschieden hat. Die Richtung ist aber aufgrund der Zusammensetzung “kein Wunder”. Und alles ist wunderbar demokratisch.

  28. Daniel
    August 31st, 2006 17:22
    28

    Thomas Filip: Ich schließe mich Deiner Meinung sehr gerne an. Die geschwungene Front des südlichen Bauteils halte ich für eine sehr gute Lösung, über die Fassadengestaltung kann man geteilter Meinung sein. Ich finde die verfremdete Fassade der Visualisierung der GHND ehrlich gesagt noch viel besser als die Lochfassade des tatsächlichen Entwurfes. Das Staffeldach finde ich in dieser Situation wirklich schön und sehr elegant.
    Jochen: Wer ist denn Mitglied der Gestaltungskommission? Ich habe leider fast nichts über die Gremiumsmitglieder finden können.
    Thomas Filip: Mein absolutes Kompliment zu Deiner Website, danke, eine echte Bereicherung. Bitte immer schön aktuell halten!

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