Bitte diese Brücke – oder keine!

Als grundsätzlicher Gegner einer Brücke am Waldschlösschen habe ich bisher alle oberirdischen Elbquerungen an dieser sensiblen Stelle des Dresdner Elbtals abgelehnt und mich stattdessen der Forderung nach einer Tunnellösung angeschlossen. Der Bau eines Tunnels ist allerdings derzeit auf keiner Agenda zu verzeichnen – auch nicht auf der eines ansonsten sehr um Brückenkompromisse bemühten Baubürgermeisters. Die Unterschriftensammler der Pro-Tunnel-Bürgerinitiative werden angesichts des fortgeschrittenen Diskussionsstands vermutlich genauso wenig bewegen können wie die offenen Briefe von Volkwin Marg sowie zweier TU-Professoren, die die einseitige Fixierung auf eine oberirdische Elbquerung beklagen.

Das bedeutet, dass auch ich als Brückengegner mich gezwungen sehe, mich mit der Frage zu beschäftigen, welche Brücke – wenn es schon nicht ohne Brücke geht – denn am ehesten das Potenzial hätte, sich mittel- bis langfristig als Landmarke zu etablieren und nicht als Störfaktor, sondern als Blickfang innerhalb der Dresdner Architekturlandschaft zu wirken. Der zeitgenössischen Architekturphilosophie, die an besonders sensible städtebauliche Punkte bewusst “sich zurücknehmende” Lösungen sucht, die in Wahrheit aber allzu häufig furchtbar banal und langweilig wirken – siehe als Paradebeispiel den geplanten “Wilsdruffer Kubus” gegenüber vom Zwinger –, begegne ich prinzipiell mit großer Skepsis. Diese Architekturphilosophie schlägt am Waldschlösschen nun einen filigranen “Steg” statt einer Brücke vor – es soll eine Brückenarchitektur entstehen, die sich als solche selbst verleugnet.

Dem steht ein geradezu kühner Siegerentwurf aus dem Jahre 1997 entgegen, der sowohl Elemente der Dynamik als auch der Ruhe beinhaltet und der eine selbstbewusste, durchaus anspruchsvolle gestalterische Leistung darstellt:

WSB2.jpg

WSB1.jpg

Die Neigung der Brückenpfeiler nimmt den Schwung des Bogens auf, so dass in der Gesamtansicht ein sehr bewegtes, anmutiges Bauwerk entstehen würde. Kritkwürdig ist allein der geplante Standort, aber dieser kann seinem Verfasser Henry Ripke nun wirklich nicht zum Vorwurf gemacht werden. Diesen – völlig zu Unrecht nachträglich diskreditierten und in Verruf gebrachten – Entwurf zu kippen und durch eine banale Kompromisslösung zu ersetzen, die durch den Verzicht auf bzw. die Verlegung des Brückenbogens angeblich leichter und unaufdringlicher daherkommen soll, in Wirklichkeit aber langweilig und ideenlos wirkt, halte ich für einen großen Fehler.

Wenn schon eine Brücke gebaut werden soll, dann bitte eine, die als solche bezeichnet zu werden verdient und die eine selbstbewusste städtebauliche Geste darstellt. Wenn schon der politische Wille zu einem Tunnel nicht reicht, dann möge bitte DIESE Brücke gebaut werden, und kein fauler Kompromiss. Denn auch ein Kompromiss muss 4 Spuren rollenden Verkehrs bewältigen – und dies werden selbst die dünnsten Stelzen nicht verschleiern können.

9 Responses to “Bitte diese Brücke – oder keine!”

  1. prat
    June 12th, 2007 11:41
    1

    Wäre denn ein Tunnel wirklich besser? Wie massiv müßten denn hier die Ein- und Ausfahrten mit Blick auf den Hochwasserschutz gestaltet werden bzw. wie würde die Anbindung des Tunnels an die vorhandenen Straßen erfolgen? Mit großen Abfahrten mitten auf den Elbwiesen und hohen Betonmauern zum Hochwasserschutz? Gibt es hierzu eigentlich auch Visualisierungen - vielleicht liege ich auch falsch.

  2. vitruv
    June 13th, 2007 08:09
    2

    Lieber Thomas Filip,
    dieser Beitrag erstaunt mich doch sehr. Zunächst ist mir dein Vergleich zwischen den neuen Brückenlösungen und dem “Wildsruffer Kubus” absolut unklar. In meinen Augen nimmt sich der Kubus keineswegs zurück, sondern provoziert durch die enormen Ausmaße. Was nun an der bisher geplanten Brücke kühn und anmutig sein soll, ist mir ebenfalls schleierhaft. Das Bauwerk greift durch seine Stromlinienform doch nur ein Gestaltungsmerkmal modernen Automobil-Designs auf und will unglaublich modern sein. Auch scheintst du das eigentliche Problem vergessen zu haben: den Welterbetitel. Mit DIESER Brücke geht der leider verloren - und das aus gutem Grund.
    Mein Tipp: Schau dir nochmal genau die Visualisierungen der TU Aachen an und überdenke deine Meinung dann nochmal.

  3. Thomas Filip
    June 13th, 2007 09:39
    3

    Was den “Wilsdruffer Kubus” und die neuen Brückenentwürfe eint, ist ein – angeblicher – Gestus der “Zurückhaltung” gegenüber besonders kostbaren Architekturen bzw. Stadträumen. Der “Wilsdruffer Kubus” soll dem Zwinger keine Konkurrenz machen – und wird daher so reduziert wie nur irgendmöglich gestaltet. Das Ergebnis ist ein langweiliger Würfel, denn der Verzicht auf eine – vermeintlich Konkurrenz zum Zwinger erzeugende – plastischere Gliederung und detailfreudigere Ausgestaltung des Baukörpers ändert ja nichts an den gewaltigen Dimensionen dieses Baus! Die schiere Masse dieses Gebäudes erzeugt so oder so eine Konkurrenz zum zarten Zwinger, warum ihn dann nicht wenigstens ansprechend und aussagekräftig gestalten? So auch die neuen Brückenentwürfe: Eine über 600 Meter lange, vierspurige Brücke am Waldschlößchen bleibt, egal in welcher Gestalt, was sie ist: eine über 600 Meter lange, vierspurige Brücke am Waldschlößchen. Der aktuelle Entwurf hat mir gerade wegen seines Bogens immer schon gut gefallen, denn es sind gerade die runden, geschwungenen Elemente, die mir im zeitgenössischen Bauen so sehr fehlen. Der Alternativentwurf von Sobek wird so nie gebaut werden – da brauchen wir uns nichts vormachen. In Frage käme, wenn überhaupt, nur der Entwurf von Schlaich Bergermann – und da finde ich selbst die Carolabrücke anmutiger.

    Ich bin mitnichten über Nacht vom Brückengegner zum Brückenbefürworter mutiert, aber wir leben in einer Demokratie mit demokratischen Spielregeln, und es ist nun mittlerweile von 3 Gerichten – bis hin zum Bundesverfassungsgericht – bestätigt worden, dass die Brücke gebaut werden muss. Insofern ist es naheliegend – auch und gerade als Brückengegener – sich mit der Frage zu beschäftigen, welche Brücke denn am besten an diese Stelle passen würde. Und da finde ich den Siegerentwurf von 1997 doch am besten. Auch wenn mir der Tunnel am liebsten wäre.

  4. vitruv
    June 13th, 2007 11:52
    4

    Nochmal: ich verstehe deinen Sinneswandel nicht, weil es hier doch primär im den Welterbetitel geht. Und das Welterbekomitee sieht in dem Brückenentwurf einen irreparablen Eingriff in das Elbtal (worin ich diesem uneingeschränkt folge). Du aber plädierst für ebendiesen Entwurf, weil die anderen dir nicht markant genug sind.
    Ergo: ein markanter Brückenentwurf bedeutet dir mehr als der Erhalt des Welterbetitels.
    Da ich nicht glaube, dass du ernsthaft dieser Meinung bist, kann es nur sein, dass du den Welterbestatus schon als verloren ansiehst.
    Es ist sehr traurig, wie destruktiv mit dem Erbe der Menschheit umgegangen wird. Wenn Demokratie bedeutet, dass eine Minderheit über ein Welterbe entscheiden darf, dann sehe ich ein wesentliches Prinzip der Demokratie verletzt.

  5. Thomas Filip
    June 13th, 2007 12:29
    5

    Bei mir hat mitnichten ein Sinneswandel stattgefunden! Ich bin weiterhin ein prinzipieller Gegner eines Brückenbaus am Standort Waldschlößchen. Ich bin nur mittlerweile überzeugt, dass der Brückenbau ohne Verletzung grundlegender demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen unseres Landes nicht mehr verhindert werden kann. Daher erlaube ich mir, nach der gestalterisch dienlichsten Brückenlösung zu fragen – und da halte ich die vorgelegten Alternativen für wenig dienlich!

    Zu dem gestalterischen Aspekt gesellt sich zudem – mindestens ebenso wichtig – der demokratische Aspekt. Und in diesem Zusammenhang ist Deine “Minderheiten-Schelte” absolut unzutreffend, denn Du relativierst die Begriffe Mehrheit/Minderheit, indem Du die politischen Ebenen der Entscheidungsfindung vermischst: Es hat eine deutliche Mehrheit der Dresdner Bevölkerung für diese Brücke gestimmt, die nun nicht nachträglich zu einer vernachlässigbaren Minderheit heruntergestuft werden kann, indem wir einen globalen Maßstab ansetzen.

    Im übrigen – und das hat mich schon lange gestört – war es die unterlegene Minderheit des Bürgerentscheids, die seinerzeit ihre überdeutliche Niederlage nicht hinnehmen wollte und bei der Unesco interveniert hat und nun umso lauter über den drohenden Verlust des Titels schreit. Wenn wir Manipulationen aufdecken wollen, dann sollten wir sie bitteschön auf beiden Seiten aufdecken, und nicht nur auf der Seite der Brückenbefürworter.

    Die ganze Angelegenheit ist unerträglich geworden, und deswegen möchte ich deutlich sagen, dass ich nicht nur ein Befürworter eines Tunnels, sondern auch ein Befürworter von FairPlay bin und deswegen nicht die Spielregeln der Demonkratie auf den Kopf stellen und Dinge verdrehen will, weil eine für mich und andere unbequeme Entscheidung gefällt wurde.

    Mein Fazit ist, dass BEIDEN Seiten, Gegnern wie Befürwortern der Brücke, massives manipulatives Fehlverhalten in dieser unsäglichen Debatte zu attestieren ist. Ich habe mich aufgrund meiner eigenen Meinung (pro Tunnel) bislang überwiegend mit dem Fehlverhalten der Befürworter beschäftigt, aber die Gegner haben nicht automatisch Recht und Gesetz auf ihrer Seite, weil sie sich für den Erhalt des Welterbes einsetzen.

  6. vitruv
    June 13th, 2007 22:54
    6

    Du schaffst es immer wieder, geschickt von meiner Frage abzulenken. Wenn du für den bisherigen Entwurf plädierst, ist dir der Welterbetitel egal? Und ist die Unesco wirklich nur der große Bruder der unterlegenen Minderheit des Bürgerentscheids? Ich bin übrigens der felsenfesten Überzeugung, dass es den Dresdner Bürgern nicht zukommt, über eine Sache zu entscheiden, die eine Beschädigung des Welterbes zur Folge hat. Die Mehrheit würde sicherlich auch für die Schließung von Museen stimmen, weil sie schlicht und einfach lieber RTL2 guckt, als Rembrandt.
    Lassen wir also lieber die Diskussion, denn das bringt nichts.

  7. Thomas Filip
    June 14th, 2007 09:34
    7

    Ich versuche keineswegs abzulenken, und ich denke auch nicht, dass wir die Diskussion frühzeitig abbrechen sollten – der Brückenstreit ist ja gerade wegen des Mangels an Gesprächsbereitschaft auf beiden Seiten zu dem geworden, was er nun ist. Und das Tragische daran ist, dass der Brückenstreit nun zu einer Situation geführt hat, in welcher wir absurderweise gezwungen sind, den Stellenwert demokratischer Grundordnungen unseres Staates in Relation zum Stellenwert eines UNESCO-Welterbestatus zu setzen. Und da befürchte ich, dass der Schaden, den wir durch einen weiteren Ansehensverlust der Demokratie in unserem Lande erleiden würden, weitaus realer und spürbarer wäre als der Verlust des Welterbetitels. Der Welterbetitel ist “nur” ein Titel – die Qualität des Ausgezeichneten ist ja nicht abhängig von der Auszeichnung, sondern stellt einen inneren Wert dar. Wenn allerdings viele Tausend Dresdner Bürger sich bestärkt sehen sollten, nicht mehr wählen zu gehen oder radikale Parteien zu wählen, dann geht damit direkt ein Qualitätsverlust unserer demokratischen Kultur einher. Dass ich mir darum Gedanken mache, bedeutet aber nicht, dass mir der Welterbetitel egal ist. Ich denke, dass das Sächsische Oberverwaltungsgericht nicht ohne Grund genau diese Problematik in seinem Urteil thematisiert hat, und ich finde, dass auch Gegner der Brücke sich mit dieser Frage beschäftigen müssen. Der Welterbetitel ist nicht der einzige Wert, der in diesem Streit akut bedroht ist.

  8. juweb
    June 27th, 2007 10:24
    8

    Irgendwie unklar der Artikel. Es bleibt dabei, der Tunnel kristalisiert sich immer mehr als einzige Alternative und als einziger Kompromiss zwischen Erhalt der realen Flußaue und des nur virtuell vorhandenen Welterbetitels und dem Wunsch nach einer weiteren Elbequerung. Sollten nicht Vertreter beider Lager jetzt besser zusammenagieren und sich für den Kompromis stark machen?

    Kann man eigentlich einen Bürgerentscheid durch einen neuen umwandeln? Sprich, der Bürger selbst schlichtet den Streit durch Bürgerentscheid Pro Brücke??? Einfach weil er die Diskussion satt hat.

  9. vitruv
    August 20th, 2007 17:34
    9

    Absolut hässlich ist diese Brücke

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