Herumgewurschtel statt Vision

Wie ein wirklich innovativer, künstlerisch wertvoller Beitrag zum Baugeschehen am Neumarkt aussehen kann, hat vor wenigen Jahren das Architekturbüro Behnisch, Behnisch & Partner mit dem sogenannten “Blumenhaus” – einem Entwurf für das Quartier V/1 – demonstriert, das aufgrund eines Aufschreis der historiekonformen Neumarkt-Fraktion wieder in der Versenkung verschwunden ist:

blumenhaus.jpg

Dieser Entwurf ist genau das, was ich mir für die modern gestalteten Häuser Neumarkt so sehr wünsche: Mut zu einer neuen Ornamentik, Farbenfroheit, eine heitere, geradezu verspielte Formensprache, die die Heiterkeit des Barock neu interpretiert und mit der strengen Rechtwinkligkeit der Moderne bricht. Was für ein Jammer, dass dieser Entwurf zurückgezogen wurde!

Stattdessen werden wir uns in naher Zukunft wieder mit “Kistenarchitekturen” zu beschäftigen haben, die eine überfordert wirkende Stadtplanung für das an die Nordseite des Kulturpalastes grenzende Quartier VII vorgesehen hat (Entwurf: dd1architekten, 1. Preis im Rahmen eines Werkstattverfahrens der Landeshauptstadt Dresden, April 2006).

q7-dd1.gif

Das “Blumenhaus” wäre ein Entwurf gewesen, der beide Lager – Modernisten wie Traditionalisten – hätte näher zusammenführen können. Leider ist dieses ambitionierte Vorhaben durch allzu lautstarke Proteste zu Fall gebracht worden, der Investor aus dem Projekt bedauerlicherweise ausgestiegen. Nun geht es weiter wie gehabt: Weil beide Lager von der Angst getrieben werden, die von ihnen jeweils favorisierte Architektursprache käme am Neumarkt zu kurz, werden wir uns auf weitere unschöne Konfrontationen vorbereiten müssen. Ich sehe abermals ein fast schon ritualisierte Gezerre auf uns zukommen: Ein vermutlich nicht ortsansässiger Investor wird entsprechend der Vorgaben der Stadt das Quartier großflächig beplanen, ohne die Explosivität des Neumarkt-Themas ausreichend zur Kenntnis genommen zu haben. Nach der öffentlichen Vorstellung der Entwürfe wird es Proteste hageln, was vermutlich dazu führen wird, dass man einen Kompromiss suchen wird, der z. B. dazu führen könnte, dass der strengen Rechtwinkelarchitektur ein Mansarddach aufgesetzt und vielleicht etwas mehr Putz auf die Fassaden appliziert wird. Ich wünschte, dass beide Seiten von ihrem Dogmatismus ablassen könnten, damit neben den unbestreitbar notwendigen Leitbauten etwas wirklich Besonderes am Neumarkt entstehen kann, und nicht ein Herumgewurschtel wie es sich insbesondere auf dem Quartier VII schon jetzt abzeichnet. Eine innovative Architektur wird so in jedem Falle nicht entstehen!

Die Abbildungen sind im übrigen den neuen, hübsch gestalteten Neumarkt-Broschüren entnommen, die die Stadtplanung zwecks Marketing (u.a. auf der anstehenden Immobilienmesse “Expo Real” in München) hat produzieren lassen und die als PDF-Dokumente auf der Homepage der Landeshauptstadt heruntergeladen werden können:

Bildnachweis: Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt

8 Responses to “Herumgewurschtel statt Vision”

  1. silesianospostato
    October 20th, 2006 17:03
    1

    Zum Blumenhaus sind meines Erachtens zwei Dinge wichtig: 1. Der Blumenschmuck war nur ein “Platzhalter” für noch zu erstellende Ornamente (zumindest kann ich mich erinnern, daß dies so in der SZ stand) - also ist kein Rückschluß auf das endgültige Erscheinungsbild möglich. und 2. Finde ich den Entwurf prinzipiell auch nicht schlecht, nur: von der zerstörten Fläche in Dresden soll gerade mal 1-2 % in Form des Neumarkts rekonstruiert werden - und von dieser winzigen Fläche gehen noch weitere Prozentpunkte für Wilssdruffer Straße, Kulturpalast usw. ab - da bin ich dann prinzipiell dagegen, für ein Gebäude wie das Blumenhaus noch weitere Flächen aufzugeben, auf denen historisierende Architektur entstehen könnte. Sonst landen wir irgendwann mal bei 0,2 % rekonstruierten Gebäuden… und dann könnten wir das ganze Neumarkt-Projekt sowieso bleiben lassen.

  2. Jochen
    October 20th, 2006 21:18
    2

    Da hat der von mir ansonsten geschätzte Verfasser in seinem “Nachgesang” zum Blumenhaus der Architekturpäbste Behnisch & Behnisch als Paradebeispiel für innovative Architektur, Mut zu neuer Ornamentik, Farbenfroheit und “geradezu verspielter” Formensprache aber mal ganz tief ins Klo gegriffen. Ich halte zwar auch nichts von der allseits vorherrschenden “Kistenarchitektur” muß aber hämisch darauf verweisen, daß die “Kistchen” von den “Experten” wieder mal mit einem 1. Preis bedacht worden sind. (Harmonischer Übergang zum Kulturpalast oder so….) Ich kann mich eigentlich nicht erinnern, bei einem modernen Bau überhaupt jemals die Schönheit und auch die Heiterkeit des Barocks, neu interpretiert, entdeckt zu haben. Die Moderne, Musik und Schauspiel eingeschlossen, kann es nicht, will es aber offensichtlich auch nicht. Die Vertreter dieser Richtung legen überall “ihr Ei”, ohne auf Umfeld und Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Man hat so gar den Eindruck, daß bewußt provoziert wird. Man stelle sich das gepriesene Blumenhaus in der unmittelbaren Nachbarschaft des Leitbaus “Koehlersches Haus” vor. Alle “Experten” rufen Hurra und preisen die geglückte “Symbiose” von Alt und Neu. Ein Beispiel für die unerträgliche Arroganz der Modernisten ist z.B., daß man dem Architekten Peter Kulka erlaubt, im Dresdner Schloß beim sogenannten “Riesensaal” im Ostflügel ein “neues Zeitfenster” zu öffnen. Modern selbstverständlich. Entweder stellt man den Urzustand wieder her, oder beläßt es wie beim “Neuen Grünen Gewölbe” bei einer spartanischen Ausstattung.( Gewölbe, Putz und dann Feierabend) Das wiederzuerweckende Umfeld der Frauenkirche eignet sich nicht für Experimente. Dann könnte man ja auch ein “Hundertwasserhaus” an den Neumarkt setzen. Es wäre verspielt, farbenfroh und brächte auch den Mut zu neuer Ornamentik mit. Ich meine dazu, daß man die Blumenhäuser, die Hundertwasserarchitektur oder die dekonstruktivistischen Zackenhäuser eines Daniel Libeskind nach Gorbitz setzen sollte, damit die uniforme Öde aufgelockert wird und die Leute dort mal was zu lachen haben.

  3. mannschu
    October 21st, 2006 14:04
    3

    Die sogenannten Leitbauten waren ja seinerzeit als Maßstabsgeber für das gesamte Areal gedacht und umfassten meines Wissens nicht einmal eine Hand voll Gebäude. So gesehen ist bis jetzt schon viel an altem, damals nie zum Aufbau vorgesehen Häusern (Hotel de Saxe - über Qualität lässt sich streiten) erstanden. Die Wiederherstellung des alten Stadtgrundrisses mit einem Anteil von 2 bis 3% an der Gesamtfläche der Stadt bedeutete nie die Rekonstruktio aller dort jemals einmal vorhandener Gebäude. So müssen wir mit Neuem leben und danach streben es recht ansprechend zu gestalten. Das “Blumenhaus” steht deshalb für mich auch für eine relativ positive Episode des Planungslaufs.

    @Jochen

    Warum sollte man moderne Zusätze beim Wiederaufbau des Schlosses vollkommen ausschließen?

    Ich bin ein lachender Gorbitzer und schätze Ruhe, günstige Mieten und viel Grün.

  4. Jochen
    October 21st, 2006 21:26
    4

    @Mannschu Die Antwort liegt allein schon in der Frage. Warum soll man moderne Zusätze in historischen, bestehenden Bauten akzeptieren und warum sind sie notwendig? Damit ein meinungsmachender moderner Architekt sich verwirklichen kann, der überall seine “Duftnoten” setzen will ? In Halle/Saale steht der große Meister Kulka z.B. einer Jury vor, die die Moritzburg dort als Abschluß eines “hochkarätigen” Wettbewerbs mit einer skulpturalen Dachlandschaft “verschönern” wird. Wenn es einen Austausch zwischen den einzelnen Stilepochen geben würde, wenn also ein “modernes” Gebäude z.B. mit Barockelementen geschmückt werden würde, hätte ich nichts dagegen. Tatsache ist aber, daß unsere Architektenavantgarde im Grunde meint, “das Gelbe vom Ei” zu sein und das Rad neu erfinden müßte und sich einen Teufel darum schert, was vorher war und was vielleicht ein eigenes Gesicht hat oder hatte. Der Haltung der sogenannten Traditionalisten ist immer nur ein Abwehrkampf gegen die allgegenwärtige agressive Ignoranz der Moderne.Und das ist auf allen Feldern so. Da werden Barockopern “neu interpretiert”, da hat eine griechische Zauberin ein Plaströckchen an, da ist Julius Cäsar dann George W. Bush, die ganze Geschichte spielt in der Neuzeit mit all den vom Komponisten gewiß nicht beabsichtigten Veränderungen. Die Musik von G.F. Händel wird “entschlackt”, so daß man sie fast nicht mehr wiedererkennt. Und jetzt frage ich noch einmal, warum? Das Dresdener Schloß hat seine Geschichte und eine Würde. Warum sollen historische Ritterrüstungen in einem Raum stehen, bei dem die historische Gewölbedecke mit einem Metallgewebe “nachgezeichnet” werden soll. Ich könnte aus der Ankündigung des Prof. Kulka noch mehr vortragen, wenn mir nicht schon nach kurzer Zeit bei dem Fachgeschwafel schwindelig würde. Das scheint auch bei den “Experten” der Fall gewesen zu sein, die die Planung absegneten. Mit meinem Vorschlag, die Blumenhäuser, Hundertwasser- und Libeskind-Häuser nach Gorbitz zu verlegen, wollte ich natürlich nicht die Gorbitzer auf den Arm nehmen, sondern einzig und allein “beglücken”.

  5. silesianospostato
    October 22nd, 2006 19:09
    5

    Wie gesagt - das Blumenhaus war sicher einer der besseren Vertreter heutiger Architektur. Wenn jetzt die Dresdner Innenstadt weitestgehend (einschließlich Innerer Neustadt und Altmarkt) nach historischen Vorbild rekonstruiert würde, kein Problem. Aber nicht von den paar Quadratmetern noch mehr für solche Entwürfe abzwacken. Einfach am Altmarkt bauen - besser als alle Konzepte für die Freifläche ist es allemal.

  6. mannschu
    October 23rd, 2006 17:43
    6

    @ Jochen

    Der Ostflügel des Schlosses wird doch erst wiederaufgebaut und bestand damit seit geraumer Zeit nicht mehr

    Gibt es neben den “modernen Architekten” etwa noch Barockbaumeister? Mir ist zumindest keiner bekannt der noch so baut und mit seiner Kunst die Moderne verschönern könnte.

    Hundertwasser habe ich auch nie wirklich gemocht.

  7. Jochen
    October 23rd, 2006 21:08
    7

    @ mannschu Mein Lieber, mit Dir ist es aber auch zum “Haareausraufen”. Es hat bis 1945, bzw. bis die DDR ihn für eine Bresche abbrechen ließ, einen Ostflügel und einen Riesensaal gegeben. Die Pläne liegen vor. Man weiß auch, wie alles bis zur Zerstörung ausgesehen hat. Es gibt Architekten. die ausschließlich ihre eigenen, in der Regel “modernen” Bauentwürfe als einzig zukunftsweisend erachten und Architekten, die sich je nach Auftrag der Pläne der alten Meister bedienen, die liegen ja in der Regel vor. Das beste Beispiel für die zweite Gruppe ist z.B. der von mir sehr geschätzte Eberhard Burger, der Baudirektor beim Wiederaufbau der Frauenkirche. Jeder Architekt könnte also ein “Barockbaumeister” sein, wenn er es denn nur wollte. Und da liegt ja der “Hase im Pfeffer”. Wenn wie im vorliegenden Fall, beim Neumarkt, ein Wiederaufbau des Stadtbildes von einer Vielzahl von Menschen erwünscht wird, kommt von der “modernen” Fraktion sofort das “Totschlagsargument”, daß es sich bei den wiederaufzubauenden Häusern ja “nur” um Kopien handelt. Andere sprechen abfällig von einem Disneyland, mit dem keine Identität und auch kein zerstörtes Stadtbild zurückgewonnen werden kann. Das geht offensichtlich nur mit ihnen. Ich empfehle Dir, die neuesten “News” auf den GHND-Seiten mal aufmerksam zu lesen. Da macht sich mit vielen anderen der “Schloß-Kulka” im Rahmen eines Interviews mit der SZ auch mal wieder diese Sichtweisezu eigen. Das ist es, was mich bei dieser “Fraktion” so wütend macht. Der große Meister läßt völlig unter den Tisch fallen, daß eigentlich die Pläne für ein Bauwerk das Original darstellen. Ich wünschte, daß die Zunft Respekt hat ganz oder teilweise die Formensprache unserer Altvorderen in ihre Pläne einbringt. Stattdessen diffamieren sie jeden für rückstandig, der sie kritisiert oder gar etwas anderes macht.

  8. mannschu
    October 24th, 2006 10:15
    8

    @ Jochen

    Ich weiß nicht genau ob es auch deine Auffassung ist, dass ein Architekt ein schöpferisch tätiger Mensch, eine Art Künstler ist. Kann man von einem solchen Menschen verlangen die Pläne anderer, die eben oft nicht mehr vorliegen, zu kopieren, sie nachzubauen? Burger, so hoch man ihn schätzen muss, hat doch nur einen Bau geleitet, der von einem anderen erstellt wurde. So gesehen ist er kein Barockbaumeister, er hat nichts selbst entworfen. Ein einfaches Gebäude kann man so jedem Bampel andrehen. Gute moderne Architekten mit ihrer spezifischen Einstellung sind eben doch nötig, denn schließlich verändern sich Nutzung und Nutzungsanforderungen.

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