Ab- und Umbruch am 26er Ring

Am 26er Ring hat sich in den letzten Monaten einiges verändert. Die Bögen des Bahndamms entlang der Könneritzstraße wurden zugemauert und – gesponsert von der DREWAG – mit zeitgenössischen Graffitis rund um das Thema Schienverkehr versehen.

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Die Graffitis sind in hoher Qualität ausgeführt und können für sich betrachtet als gelungen gelten, ich habe aber meine Zweifel, ob die intensive Farbigkeit der Kunstwerke – die andernorts sicherlich sehr wohltuend wäre – mit der Sandsteinästhetik des Bahndamms harmoniert. Eine an die Farbigkeit des Sandsteins angenäherte, reduzierte Farbpalette wäre aus meiner Sicht passender gewesen.
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In krassem Widerspruch zu der sprühenden Farbigkeit des Bahnviadukts steht die Trostlosigkeit des neuen Parkhauses auf der anderen Seite der Gleise, in direkter Nachbarschaft zur Yenidze, ein ausgesprochen hässliches, gestaltarmes und darum ärgerliches Bauwerk:

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Beim Entwurf (sofern von einem solchen überhaupt die Rede sein kann) muss jeder Wille zur Formgebung gefehlt zu haben. Herausgekommen ist ein unfassbar tumbes, das Stadtbild verunstaltendes, rücksichtsloses Stahlgitter-Ungetüm, von dem ich zutiefst hoffe, dass es in wenigen Jahrzehnten wieder beseitigt wird – von einer Generation, die dann hoffentlich wieder mehr Sinn für Ästhetik und Schönheit zeigt!

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Den traurigen Höhepunkt der jüngsten tiefgreifenden Veränderungen des Dresdner Stadtbildes im Umfeld des Bahnhofs Mitte bildet schließlich der Abbruch des denkmalgeschützten Kesselhauses des ehemaligen Elektrizitätswerks am Wettiner Platz:

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Nicht auszudenken, was aus diesem Industriedenkmal alles hätte werden können. Ideen und Pläne gab es jedenfalls genug, 2004 wäre ein Münchner Investor bereit gewesen, das Kesselhaus für 50 Millionen Euro in ein Einkaufszentrum umzuwandeln, doch die ca. 6.000 Quadratmeter Handelsfläche, die dabei entstanden wären, sah Baubürgermeister Herbert Feßenmayr als nicht vereinbar mit dem Innenstadtkonzept und daher als nicht genehmigungsfähig an. Ein Hohn, wenn man bedenkt, dass das an der Prager Straße geplante “Dresden Forum” 52.000 Quadratmeter Mietfläche umfassen wird und es bereits Pläne für einen weiteren Einkaufstempel am Ferdinandplatz (hinter Karstadt) gibt.

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Bei aller Freude über städtebauliche Fortschritte wie die am Neumarkt – die Genehmigung des Parkhauses an der Yenidze und die Nicht-Genehmigung des Einkaufszentrums im Kraftwerk Mitte, die dieses Industriedenkmal vor dem weiteren Verfall und dem jetzt erfolgten Abriss bewahrt hätte, lassen erhebliche Zweifel an der Kompetenz und Weitsicht der Dresdner Stadtplanung aufkommen.

10 Responses to “Ab- und Umbruch am 26er Ring”

  1. stephan
    September 8th, 2006 11:20
    1

    Ich finde die bunten Eisenbahngraffities an den Bögen recht passend. Erstens spielen sie mit der Form des Bogens und fordern den Betrachter auch ein wenig heraus. Ausserdem wird sich früher oder später genug Feinstaub darauf gelegt haben, um eine historische Patina täuschend echt zu immitieren. ;)

    Dem Parkhaus fehlt eigentlich nur noch eine Bombe. Ich möchte wissen, welcher Bürofachansgestellte da seinen Richtlinien gefolgt ist.

  2. Jochen
    September 8th, 2006 19:40
    2

    Das Parkhaus ist in der Tat ein weiterer “Höhepunkt” der Stadtmöbelierung. Ich hätte der “Yenidse” auch eine schönere Umgebung gewünscht. Man muß aber auch darauf hinweisen, daß das vorherige Gebäude trotz einiger “Figurenschmuckelemente” noch häßlicher war. Wenn ich von der Autobahn kommend die Magdeburger Str. bis zur Ampel an der “Yenidse” befuhr, hat mich jeweils dort mit Blick nach rechts das Grausen gepackt. Jetzt, wo das bunkerartige Gebäude weg ist, hätte man den gesamten Bereich, der nicht zu den “Schönen” Dresdens gehört, aufwerten können.Es ist immer wieder das kurzfristige und rein ökonomische Denken, das zu diesen Ergebnissen führt.

  3. excelsior
    September 8th, 2006 21:13
    3

    Es ist wohltuend, wenn außer über den Neumarkt auch über andere Orte in Dresden diskutiert wird. Der Charme des Industriezeitalters, den man an keiner (zentrumsnahen) Ecke in Dresden besser erleben konnte wie rund um den Bahnhof Mitte, geht schon seit Jahren verloren. Erst wurden rund um die Yenidze zahlreiche Gründerzeithäuser weggerissen, dann folgte die Beseitigung der alten Bahnbrücken samt ihrer schmiedeeisernen Säulen, im letzten Jahr dann der Abriss des Kühlhauses. Negativer Höhepunkt, da gebe ich Thomas recht, ist der Abriss des Kesselhauses. Wie, frage ich mich, kann so etwas bei einem denkmalgeschützten Gebäude genehmigt werden.
    Die Grafitties finde ich im übrigen einfach nur kitschig. Die Motive erinnern an 90er Jahre Fantasy-Poster, die man sich ins Kinderzimmer hängen kann, aber nichts im Stadtbild verloren haben.
    Einen Lichtblick, denke ich, gibt es aber: Am Schützenplatz entstehen im 2. Bauabschnitt Loftwohnungen im modernen Geschosswohnungsbau. Ein schönes Beispiel, wie abwechslungsreich und belebend zeitgenössige Architekur sein kann. Die Kleinteiligkeit vermittelt eine Ahnung von Urbanität, die in diesem Quartier neu entstehen könnte. Vielleicht ein weiterer Schauplatz zum Diskutieren in diesem Blog?

  4. martinroell
    September 10th, 2006 18:47
    4

    Danke für die klaren Worte zum Parkhaus. Es ist ein Jammer, was dort am Ring gerade passiert, egal, ob abgerissen, aufgebaut oder einfach böswillig oder grob fahrlässig kaputtgemacht wird. (Falls der Links nicht klappt: http://flickr.com/photos/martinroell/69447934/)

  5. Jochen
    September 10th, 2006 20:35
    5

    Während alle Kommentatoren sich ja einig sind, daß das Parkhaus häßlich und kein Gewinn für die benachbarte “Yenidze” ist, versteh ich nun überhaupt nicht, wie dem abgebrochenen Kühlhaus, ich dachte, es wäre ein Luftschutzbunker, jemand eine Träne nachweinen kann. Wenn man dies unter dem Oberbegriff “Charme des Industriezeitalters” einordnen will, muß gesagt werden, daß man dabei doch wohl in der Mehrzahl der Bauobjekte aus der Not eine Tugend macht. Ich wohne im Ruhrgebiet und wir sind gesegnet mit derartigem herben Charme.

  6. Jochen
    September 10th, 2006 20:42
    6

    Wenn man nun in “Elbflorenz” auch Beispiele vom Charme des Industriezeitalters, und dies nun auch noch in relativer Nähe zum Zentrum erhalten “muß”, dann war das Kühlhaus für meine Begriffe, ein vollkommen falscher Griff. Es wäre vielleicht ein geschichtliches Beispiel aus schwerer Zeit (1951), bezeugte aber auch eine “Banauserei” im Hinblick auf den Standort.

  7. Peter
    October 7th, 2006 04:02
    7

    Hallo Jochen, das Kühlhaus stammte nicht von 1951, in diesem Jahr wurden seine Kriegsschäden behoben. Das Kühlhaus war ein Bau der Kaiserzeit, also ein echter Gründerzeitbau.

    Und wenn ich ganz ehrlich bin: Mir tut sein Abriss wahnsinnig weh. Ja, ich fühle einen richtigen Schmerz, wenn ich sehe, dass in einer Stadt in der uns so wenig vom Krieg erhalten blieb, sogar jetzt noch die wenigen verbliebenen Bauten weggerissen werden. Manchmal hätte ich Lust - und das ist kein Witz - in ein Stadtplanungsamt zu gehen, und zu sämtlichem Mitarbeitern zu sagen “Polizei, kommen Sie bitte mit, Sie sind verhaftet”. Möglicherweise wäre das die einzige Chance, unsere Städte vor der entgültigen Zerstörung durch Ignoranten, Selbstbeweihräucher, Unfähige und Wahnsinnige zu bewahren.

    Doch, ich sage das ganz ehrlich: Der Abriss des Kühlhauses löst in mir eine grenzenlose Trauer aus. Das Gebäude war eigentlich nicht schön, aber es liebenswert: Es war plump, aber nicht brutal; es war unförmig, aber nicht grob.

    Selbst in seiner etwas ungelenken Erscheinung hatte es nichts aggressives, sondern fast etwas Sanftes, unaufdringliches. Das neue Gebäude, das nun seinen traurigen Platz besetzt, ist grob, aufdringlich, und tut meinen Augen weh. Aber noch mehr tut mir der Verlust des Kühlhauses weh. Es hatte etwas, in seiner rußgeschwärzten Industrie-Banalität, dass moderne Gebäude niemals haben werden: Charme.

    Ich fühle mich hilflos. Unsere Städte werden zerstört, dabei waren sie doch schon durch den Krieg genug zerstört. Ich fühle mich nicht oft hilflos, aber beim Abriss des Kühlhauses denke ich, wir können nichts tun. So seltsam es klingt, aber in diesem Moment empfinde ich:

    Das Kühlhaus war unser Freund, und jetzt musste er gehen - für immer. Gebäude können eie Seele haben, wie Menschen. Wir haben einen lieben Freund verloren. Einige mögen darüber lachen - aber mir tut es weh.

  8. Thomas Filip
    October 9th, 2006 16:47
    8

    Kommen wir doch bitte wieder auf den Boden der Realität zurück. Im Falles des Parkhauses wurde ein Klotz durch einen anderen ersetzt. So sah der "verlorene Freund", das Kühlhaus, um 1992 aus (Quelle: www.bildindex.de):

    Nicht alles, was die Gründerzeit hervorgebracht hat, ist per se erhaltenswert. Im Falle des Kühlhauses ist nicht so sehr der Abriss beklagenswert, sondern die Chance auf Verbesserung der städtebaulichen Situation, die hier vertan wurde. Die städtebauliche Situation war vorher mindestens genauso unbefriedigend wie sie es jetzt ist.

  9. Peter
    October 10th, 2006 14:07
    9

    Hallo Thomas, ich wusste das jemand kommen würde und sich darüber ruhig machen würde, den “verlorenen Freund” in Anführungszeichen setzen. Dass es aber ausgerechnet von dir kommt, hätte ich allerdings nicht gedacht.

    Es stört mich aber nicht, dass du dich darüber lustig machst, denn ich stehe zu meinen Gefühlen - die kann mir niemand nehmen, auch du nicht. Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis, und kann mich noch sehr gut an Worte von dir erinnern,als du noch in Hamburg wohntest. Du sagtest sinngemäß “wenn ich durch unsere zerstörten Städte gehe, tut mir das Herz weh und ich könnte weinen”. Habe ich mich damals darüber lustig gemacht? Vielleicht erlaubst du dir deine Gefühle heute nicht mehr, ich erlaube sie mir denn ich verleugne mich selbst nicht.

    Ich stehe zu meinen Gefühlen, und lasse mir nicht von “modernen” Architekten und selbsternannten Intellektuellen erzählen, was ich schön zu finden habe. Manche verkaufen ihre eigene Meinung, so wie du, und sie erhalten dafür einen Ersatz in Form von klugen Wörtern: “Zeitriss”, “Vorwärtsgewandt”, “kunstvoller Stilbruch”. Ein schlechter Tausch. Denn das Gefühl, man gehöre damit wieder zur Mehrheit, ist eine Illusion.

    Übrigens: Ich kenne das alte Foto, du zeigst mir nichts neues. Ich habe sogar drei davon, vom selben Photographen. “Nicht alles, was damals gebaut wurde, war erhaltenswert”, genau diesen Satz höre ich von Modernisten immer wieder, wenn es gegen den Neumarkt geht, dieser Satz klingt Wort für Wort abgeschrieben aus einer Architektenzeitschrift. Sehr intellektuell. Leider bin ich überhaupt nicht beeindruckt, Thomas.

    Vielleicht solltest du mal etwas genauer hinsehen. Das Gebäude war durchaus erhaltenswert. Kuck dir mal, was du als Ersatz erhältst. Komisch, dass es dir nicht gefällt - es ist doch “Modern”, oder? (ich find’s unmodern).

    Übrigens, lieber Thomas: “Auf dem Boden der Realität” sein, das ist eine Sache. Phantasie, Kreativität und Kunst sind eine andere. Wenn für dich der Boden der Realität darin besteht deine üblichen Schuhkartons, Kuben und Kisten schönzureden, bin ich froh, dass ich nicht so bin wie du und mir etwas Phantasie, Kreativität und Menschlichkeit erlaube. Das Ornament ist kein Verbrechen, lieber Thomas. Und eine eigene Meinung zu haben, auch nicht.

    mit besten Grüßen

    Peter

  10. Thomas Filip
    October 10th, 2006 16:36
    10

    Zunächst bitte ich Dich meine Beiträge genau zu lesen und nicht ihren Sinn zu entstellen. Auch wünsche ich hier keine persönlichen Unterstellungen, sondern themenbezogene Beiträge. Insbesondere Deine letzten Sätze sind geeignet, verzerrte Feindbilder zu schaffen, und genau diese Feindbilder, die leider in Architekturdebatten besonders intensiv kultiviert werden, sind der Grund gewesen, warum ich mich aus den Diskussionsforen zurückgezogen und ein eigenes Web Log ins Leben gerufen habe. Hier kann und soll jeder seine Meinung kundtun, und aus der Diversität der Meinungen soll ein Dialog entstehen, der alle Seiten - so hoffe ich - zum Nachdenken anregt. Ganz bewusst habe ich mich entschieden, meine Beschäftigung mit Städtebau und Architektur nicht nur auf Rekonstruktionsprojekte wie die am Neumarkt zu beschränken, sondern meinen Blick zu weiten. Dazu gehört für mich, die Entwurfsabsichten verstehen zu wollen, die hinter mir fremd erscheinenden Architekturen stehen. Ich habe eine Haltung der Offenheit entwickelt, die es mir ermöglicht, mit größerer Gelassenheit sowohl positiv wie auch negativ zu bewerten. Die Sehnsucht nach dem im Krieg Verlorenen, nach den intakten Stadtbildern, den alten Straßen und Plätzen ist bei mir nach wie vor vorhanden, aber ich möchte mich nicht vom Sentimentalen beherrschen lassen.
    Wenn ich also vom “Boden der Realität” rede, dann meine ich damit, dass das Kühlhaus sicherlich einen gewissen sentimentalen Wert hat, weil es aus einer Zeit stammt, in der vieles besser gewesen zu sein schien, das aber an sich keine wirklichen architektonischen Qualitäten besitzt.

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