Archive for September, 2006

Rampische Straße 1 gerüstfrei

Friday, September 08th, 2006 6:25pm

Auf dem Quartier II der VVK ist nun auch das berühmte, auf zahlreichen historischen Gemälden dokumentierte Eckgebäude Rampische Straße 1 mit seinem reich verzierten Erker weitestgehend gerüstfrei zu bewundern. Im Gegensatz zur benachbarten “Glocke”, die mit einem ahistorischen Zwischengeschoss aufgestockt wurde, ist hier der barocke Ursprungszustand wiederhergestellt wurden, die Aufstockung des Vorkriegszustandes wurde gewissermaßen korrigiert. Ästhetisch betrachtet liefert der Dreiklang von “Schwan”, “Glocke” und Rampische Straße 1 in jedem Fall eine perfekt abgestimmte Fassadenkomposition.
vvk1.jpg

vvk_rampische1.jpg

Ab- und Umbruch am 26er Ring

Friday, September 08th, 2006 9:51am

Am 26er Ring hat sich in den letzten Monaten einiges verändert. Die Bögen des Bahndamms entlang der Könneritzstraße wurden zugemauert und – gesponsert von der DREWAG – mit zeitgenössischen Graffitis rund um das Thema Schienverkehr versehen.

bahndammkunst1.jpg

bahndammkunst2.jpg

Die Graffitis sind in hoher Qualität ausgeführt und können für sich betrachtet als gelungen gelten, ich habe aber meine Zweifel, ob die intensive Farbigkeit der Kunstwerke – die andernorts sicherlich sehr wohltuend wäre – mit der Sandsteinästhetik des Bahndamms harmoniert. Eine an die Farbigkeit des Sandsteins angenäherte, reduzierte Farbpalette wäre aus meiner Sicht passender gewesen.
bahndammkunst3.jpg

In krassem Widerspruch zu der sprühenden Farbigkeit des Bahnviadukts steht die Trostlosigkeit des neuen Parkhauses auf der anderen Seite der Gleise, in direkter Nachbarschaft zur Yenidze, ein ausgesprochen hässliches, gestaltarmes und darum ärgerliches Bauwerk:

parkhaus2.jpg

Beim Entwurf (sofern von einem solchen überhaupt die Rede sein kann) muss jeder Wille zur Formgebung gefehlt zu haben. Herausgekommen ist ein unfassbar tumbes, das Stadtbild verunstaltendes, rücksichtsloses Stahlgitter-Ungetüm, von dem ich zutiefst hoffe, dass es in wenigen Jahrzehnten wieder beseitigt wird – von einer Generation, die dann hoffentlich wieder mehr Sinn für Ästhetik und Schönheit zeigt!

parkhaus1.jpg

Den traurigen Höhepunkt der jüngsten tiefgreifenden Veränderungen des Dresdner Stadtbildes im Umfeld des Bahnhofs Mitte bildet schließlich der Abbruch des denkmalgeschützten Kesselhauses des ehemaligen Elektrizitätswerks am Wettiner Platz:

kraftwerk1.jpg

Nicht auszudenken, was aus diesem Industriedenkmal alles hätte werden können. Ideen und Pläne gab es jedenfalls genug, 2004 wäre ein Münchner Investor bereit gewesen, das Kesselhaus für 50 Millionen Euro in ein Einkaufszentrum umzuwandeln, doch die ca. 6.000 Quadratmeter Handelsfläche, die dabei entstanden wären, sah Baubürgermeister Herbert Feßenmayr als nicht vereinbar mit dem Innenstadtkonzept und daher als nicht genehmigungsfähig an. Ein Hohn, wenn man bedenkt, dass das an der Prager Straße geplante “Dresden Forum” 52.000 Quadratmeter Mietfläche umfassen wird und es bereits Pläne für einen weiteren Einkaufstempel am Ferdinandplatz (hinter Karstadt) gibt.

kraftwerk2.jpg

Bei aller Freude über städtebauliche Fortschritte wie die am Neumarkt – die Genehmigung des Parkhauses an der Yenidze und die Nicht-Genehmigung des Einkaufszentrums im Kraftwerk Mitte, die dieses Industriedenkmal vor dem weiteren Verfall und dem jetzt erfolgten Abriss bewahrt hätte, lassen erhebliche Zweifel an der Kompetenz und Weitsicht der Dresdner Stadtplanung aufkommen.

Einfach nur die halbe Brücke bauen

Thursday, September 07th, 2006 4:42pm

Im Streit um die Waldschlösschenbrücke sind die Fronten verhärtet. Jetzt müssen’s wohl die Richter richten. Ein geradezu klassisches Exempel dafür, was in Dresden passiert, wenn “Modernisierer” und “Bewahrer” ungebremst aufeinander prallen, ohne die Bereitschaft, sich auch nur einen Millimeter aufeinander zu zu bewegen. Kompromissbereitschaft? Noch nie gehört. Hauptsache ich erreiche mein Ziel, und die Mehrheit “der Dresdner” steht sowieso hinter mir. Und wenn ich mein Ziel nicht erreiche, dann ziehe ich eben vor Gericht, durch alle Instanzen, jahrelang, ohne Rücksicht auf Verluste.
waldschloesschenbruecke2.jpg
In der Sächsischen Zeitung war dazu vor ein paar Tagen ein herrlicher Leserbrief zu lesen, den ich mir ungekürzt wiederzugeben erlaube:

Ein salomonischer Vorschlag zur Lösung des gordischen Knotens Waldschlößchenbrücke: Bauen wir doch einfach nur die halbe Brücke auf. Von der Altstädter Seite bis zur Mitte des Flusses: Die Brückenbefürworter haben eine Brücke, den -gegnern und der Unesco bleibt die Aussicht unverstellt, das Regierungspräsidium kann Bauaufträge für die eine Hälfte auslösen und der Stadtrat unbedarft und unbestraft gegen die 2. Brückenhälfte sein und die Baukosten halbieren sich auch noch. Nur Vorteile für alle Seiten.
Und vielleicht wird ja in ein paar Jahren diese halbe Brücke dann genauso liebevoll wie die in Avignon besungen und wer weiß eines Tages sogar Weltkulturerbe. Eine Touristenattraktion wäre sie auf jeden Fall.” (Andre Grossmann, per E-Mail an die SZ)

waldschloesschenbruecke1.jpg

Bildmaterial: http://www.elbwiesen-erhalten.de/

Computeranimierte Atrappendürre?

Sunday, September 03rd, 2006 6:04pm

FAZ-Architekturkritiker Dieter Bartetzko – bekannt für seine ablehnend-kritische Haltung gegenüber dem Konzept eines “historischen” Neumarkts – spricht in einem Beitrag anlässlich der Wiedereröffnung des Grünen Gewölbes von einer “erbärmlichen, computeranimierten Attrappendürre”, die von den “Fassadenkopien des Neumarkts” rings um die Frauenkirche ausginge. Die Ausstrahlung dieser vermeintlichen Erbärmlichkeit kann man seit wenigen Tagen nun auch am gerüstfreien Haus “Zur Glocke” auf dem Quartier II studieren – überlassen wir das Urteil nicht den Kritkern, bilden wir uns selbst eine Meinung:

vvk_schwan1.jpg

In einem Kommentar vom November 2005 zu den Bestrebungen, Teile der kriegszerstörten Altstadt in Frankfurt am Main zu rekonstruieren, geht Bartetzko auch auf den Neumarkt ein und begründet sein Unbehagen wie folgt: “Weder wird, wie es den Regeln der strengen Rekonstruktion entspräche, der Vorkriegszustand nachgebaut, noch werden die barocken Häuser dieses Quartiers so einzeln aufgerichtet, wie sie vor ihrer Sprengung standen. Statt dessen montieren Kräne vorgestanzte Betonplatten über Tiefgaragen, für deren Bau wiederum die zuvor unter dem Pflaster der DDR erhaltenen historischen Keller und Gewölbe der Neumarkt-Häuser abgeräumt wurden. Auf die Betonfronten werden in einem zweiten Arbeitsgang Fassaden appliziert, die Kopien der verschwundenen historischen Häuser sind - sehr freie Kopien von Fall zu Fall, denn je nach Investorenwünschen verlängert oder verschmälert man Achsen, unterfüttert die barocken Mansarddächer mit diskret eingeschobenen Zwischengeschossen oder setzt ihnen von unten nicht wahrnehmbare Zusatzgeschosse auf.”

vvk_schwan2.jpg

vvk_schwan3.jpg

Die Kritik ist m. E. durchaus nachvollziehbar: Die oben abgebildete, wunderschön verzierte Fassade der “Glocke” beherbergt ein ahistorisches zusätzliches Geschoss, um den Höhenunterschied zum benachbarten “Schwan” zu vermindern und die im Ursprungszustand recht wuchtige Brandmauer des Nachbarhauses weniger massiv wirken zu lassen. Ästhetisch betrachtet sicherlich kein schlechtes Konzept, Kritiker wie Bartetzko werden sich allerdings bestätigt fühlen. So nachvollziehbar die Kritik allerdings auch sein mag – teilen muss man sie deswegen noch lange nicht. Die z. T. sehr verschiedenen Bewertungssysteme, mittels derer Rekonstruktions-Projekte wie die am Dresdner Neumarkt beurteilt werden, stehen und fallen letztlich mit der Frage, welchen Stellenwert man der Frage nach der Authentizität eines Gebäudes beimisst. Lässt sich der Wert (fassaden-)rekonstruierter Gebäude ausschließlich am Grad ihrer materiellen Verankerung in der Geschichte ablesen – an der Beibehaltung historischer Grundrisse und Parzellengrößen, dem Erhalt alter Kellertonnen, dem Wiedereinbau geborgener Fragmente? Ist ein Neumarkt-Konzept, das diesen Ansprüchen nicht oder nur marginal genügt, per se wertlos? Oder besteht der Wert des neuen Neumarktes nicht vielmehr in der Ästhetik, der emotionalen Wärme und ideellen Kontinuität eines harmonisch durchgestalteten, historisch motivierten Platzbildes, zu dem “Fassadenkopien” wie die obige zweifelsfrei beitragen? Diese Fragen wird letztlich jeder für sich persönlich beantworten müssen. Ich für meinen Teil neige eindeutig zu letzterem Ansatz.