“Altes fest bewahrt in Treue, und freundlich aufgefasst das Neue!” – so steht es über dem Portal des in den Jahren 1911-1913 in direkter Nachbarschaft des Dresdner Zwingers errichteten Schauspielhauses geschrieben. Ein schöner Ausspruch – und bestens geeignet, um dem mitten im Wiederaufbau befindlichen Neumarkt als Leitsatz zu dienen!
Nahezu gerüstfrei präsentiert sich nun das “Quartier an der Frauenkirche”, und meine Begeisterung über die Schönheit und Perfektion der miteinander bestens harmonierenden Bauten ist ungebrochen. Seit Samstag können Besucher des Neumarkts neben dem “Erdmannsdorfschen Haus” und dem “Hotel Stadt Berlin” (links) nun auch das “Weigelsche Haus” (Mitte) und den “Goldenen Ring” (rechts) unverhüllt bewundern.
Dass die rekonstruierten Barockbauten sich perfekt ins vorhandene Stadtbild integrieren würden, stand für mich nie zur Debatte – gleichsam als “Spätheimkehrer” sind diese Häuser an ihren angestammten Ort, der ihnen von der Geschichte dankenswerterweise freigehalten wurde, zurückgekehrt.
Mit umso größerer Spannung habe ich der Enthüllung der modern interpretierten Gebäude entgegengefiebert, insbesondere dem Gebäude An der Frauenkirche 1, dessen noble und sehr elegant gegliederte Fassade mich schon im Modell begeistert hat:
Entstanden ist ein Bau, der mich durch ein enormes Maß an Kreativität und Liebe zum Detail beeindruckt – etwas, was ich bei viel zu vielen Vertretern moderner Architektur so schmerzlich vermisse! Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei die Materialwahl beim Dachgesims, den Fenstergewänden und den schmalen Bändern, welche die einzelnen Gewände miteinander verbinden: Das Material reflektiert die Hell-Dunkel-Kontraste des Sandsteins der Frauenkirche und setzt die beiden Gebäude so stimmungsvoll in Beziehung. Klasse! Die vertikale Gliederung des Baus, das ausgewogene Verhältnis von Mauerwerk und Fensterfläche, das ziegelgedeckte Mansarddach und die eleganten Dachgauben tun ein übriges, um den Bau mit den nach historischem Vorbild rekonstruierten Gebäuden vorzüglich harmonieren zu lassen:
Es bleibt die Frage, was man von den gläsernen Staffelgeschossen zwei Häuser weiter halten soll. Auch dieses Gebäude präsentiert sich mittlerweile gerüstfrei. Zu loben ist in jedem Falle, dass die Metallbänder, welche die gläserne Dachlandschaft horizontal gliedern, nicht in weiß (siehe den Ursprungsentwurf), sondern in einem dunklen Rotbraun ausgeführt wurden. Dadurch wird das Gebäude in jedem Falle farblich besser in das Gesamtensemble integriert.
Dass es sich bei diesem, vom Büro Wörner & Partner entworfenen Gebäude um eine sehr elegante, ästhetisch anspruchsvolle Architektur handelt, kann kaum bezweifelt werden. Aufgrund der gläsernen Staffelgeschosse bekommt der Bau allerdings eine gewisse Solitärstellung im Quartier. Ein gläsernes Mansarddach wäre an dieser Stelle sicherlich die gefälligere Lösung gewesen. Dennoch meine ich: Gemäß dem oben aufgeführten Motto – “Altes fest bewahrt in Treue, und freundlich aufgefasst das Neue!” – sollte dieses Gebäude wohlwollend empfangen werden. Bislang hat es in Dresden noch jede Architektur, die mit etablierten Gestaltungsmustern brach, schwer gehabt. Ob eine “Tabakmoschee” á la Yenidze, eine “Zitronenpresse” á la Kunstakademie oder die großen Ministerialbauten am Neustädter Elbufer: Gebäude, die aus heutiger Sicht untrennbar mit dem Dresdner Stadtbild verbunden sind, sind zu ihrer Entstehungszeit heftigst angegriffen und kritisiert worden. Geben wir also diesem – durchaus unkonventionellen – Neubau eine Chance!
Zum Schluss ein Ausblick auf die Vollendung des Kopfbaus zum Fürstenzug hin. Nachdem sich die ursprünglichen Wettbewerbsergebnisse für die Töpferstraße 2 als viel zu wuchtig und daher für das sensible Eingangstor zum Neumarkt absolut ungeeignet erwiesen hatten, entwickelten sich die Pläne für dieses Gebäude auf höchst erfreuliche Weise weiter. Bei so vielen Überarbeitungsschritten konnte man den Eindruck gewinnen, dass hier wirklich um eine so qualitätvolle und dem städtebaulichen Rahmen so angemessene Architektur wie nur möglich gerungen wird. Zuletzt bereitete mir nur noch die Frage um die künftige Farbgebung Unbehagen: Mit dem Gedanken an ein weiteres reinweißes oder grau abgetöntes Gebäude mochte ich mich ganz und gar nicht anfreunden! Umso erfreuter war ich heute morgen, als ich unterhalb des Dachgesimses erste Farbtupfer entdecken konnte: Offenbar darf nun mit einem dezenten Braunton gerechnet werden.