Ein fragwürdiger Übergang

Die Ergebnisse des Architektur-Wettbewerbs für das Neumarkt-Quartier V/I, ausgelobt von der Bauherrin, der KIB Projekt GmbH aus Nürnberg, liegen vor. Das städtebaulich sensible Gebiet an der Frauen- und Galeriestraße wird künftig als Bindeglied zwischen dem von der Nachkriegsarchitektur der 50er bis 70er Jahre geprägten Altmarkt und dem überwiegend nach historischem Vorbild wieder bebauten Neumarkt fungieren.

Die Jury spricht von einem “positiven Beitrag”, um die Architektur der Nachkriegsmoderne und das Neumarkt-Konzept zu verbinden. Die Ergebnisse – allesamt modernistisch und in grobem Kontrast zu traditionellen Bauformen stehend – sprechen für sich:
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1. Platz: F29 Architekten (Christian Schmitz/Peter Zirkel), Dresden

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2. Platz: Kupferschmidt Architekten, München

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3. Platz: Zander Architekten, Dresden

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Die Modellfotos zeigen den erstplatzierten Entwurf im Kontext der benachbarten Gebäude. platz1_modell3.jpg

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Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V. reagierte mit Entsetzen auf die prämierten Entwürfe und formuliert dazu in einer gestern ausgegebenen Pressemitteilung:

“Nach Jahren des Ringens, intensiver Diskussion und sichtbarer Erfolge am Neumarkt ist es völlig unverständlich, wie eine von der Stadt eingesetzte Wettbewerbsjury Entwürfe prämieren kann, die auf so eklatante und provozierende Weise gegen die vom Stadtrat gebilligte städtebaulich-gestalterische Gestaltungssatzung für den Dresdner Neumarkt verstoßen. Kein einziger prämierter Entwurf hält die Vorgaben ein: das Wettbewerbsergebnis ist damit aufzuheben. […] Besonders die Vorauswahl der teilnehmenden Architekturbüros und der Jury seitens der Verwaltung führt zu Zwangsergebnissen, die der Investor nicht zu verantworten hat. Auch hat sich wiederholt gezeigt, dass Architektur- oder Werkstattwettbewerbe auf Grund ihrer jetzigen einseitigen Ausrichtung auf modern entwerfende Architekten kein geeignetes Mittel sind, um zu einer akzeptablen Lösung zu kommen. Architekturwettbewerbe werden derzeit dazu genutzt, bestimmte baukulturpolitische Ziele zu legitimieren und diese gegenüber einer andersdenkenden Mehrheit durchzusetzen.”

6 Responses to “Ein fragwürdiger Übergang”

  1. Fama
    March 7th, 2009 18:20
    1

    Beim Anblick des Siegerentwurfs fallen mir spontan das Eckhaus an der Frauenkirche 3, der Wilsdruffer Kubus, der Entwurf des Hotels Altmarkt, die Hotelbauten am Wiener Platz und wenn ich tiefer im Gedächtnis krame, sogar Vergleiche zum ehemaligen 70er Jahre-Anbau am Polizeipräsidium ein. Allesamt keine Perlen der Architektur … . Vom Altmarkt, mit der zentralen Tiefgarage und den Haltestellen des ÖPNV kommend, fungiert das Gebäude als “Eintrittskarte zum Neumarktgebiet”. Ob es dieser Bedeutung gerecht werden kann, wage ich zu bezweifeln. Zu deutlich springt mir der schon zu häufig wiederholte Investorencharakter “standardisiert, rationell, ökonomisch” ins Auge. Damit wird man die Wohlfühl- und Verweildauer der Neumarkt-Besucher wohl nicht steigern können. Wieder ein Erdgeschossbereich mehr, der Passantenströme an sterilen, kalten Schaufenster und Nobel-Reklamefassaden um einen geschlossenen Gebäudekomplex herum führen wird. Leben in den Gassen, wie es durch Kleinteiligkeit, Passagen und vielfältige Strukturierungen unterstützt werden könnte, scheint nicht gewollt zu sein.
    Ein neuer Brennpunkt der Konfrontationen zwischen einer ohnmächtigen “Dresdner Kulturseele” und der “Arroganz der Macht” entsteht … .

  2. Jochen
    March 9th, 2009 12:31
    2

    Der Berg kreißte, und gebar ein Mäuschen. Treffsicher wurde mal wieder ein Entwurf gekrönt, der den hehren Ansprüchen dieses Bereichs in keiner Weise genügt. Man muß natürlich der Ehrlichkeit halber Roß und Reiter getrennt betrachten. Die Aufgabenstellung für die “siegreichen” Architekten war eine moderner Entwurf. Es hat also mal wieder am Auftraggeber und der Jury des Wettbewerbs gelegen, wobei bei der Zusammensetzung dieses Gremiums das Ergebnis immer schon von vornherein feststeht. Man kann als engagierter Betrachter und Freund eines historischen oder historisierenden harmonischen Aufbaus des Neumarktumfeldes dann nur noch zwischen Pest und Cholera wählen. Notwendige und auch eigentlich in der Gestaltungssatzung für diesen Bereich vorgesehene Kleinteiligkeit und insbesondere die Dachformen werden gar nicht erst vorgegeben. So orientiert man sich an der “Schönheit” des Kulturpalastes und der nördlichen Bebauung der Wilsdruffer Straße. Das ist nun unbestritten mit dem Entwurf gelungen. Für mich ist aus dem ganzen eingereichten “Gemüse” einzig der Entwurf Neumann Architekten BDA als Übergang in den historischen Bereich des Neumarktes und als Nachbar des Köhlerschen Hauses denkbar. Da die politischen Würdenträger der Stadt offensichtlich überhaupt keine Vorstellung mehr von einer gesundenden schönen Stadt haben, kommt es wie es kommt. Wie man vor diesem Hintergrund die vielen entstehenden und bereits vorhandenen Hotels belegt bekommen will, ist mir schleierhaft. Man verspielt mit dieser Art von Allerweltsarchitektur den Ruf der Stadt für immer. Ich bin sehr traurig.

  3. Peter
    March 11th, 2009 14:42
    3

    Man könnte wirklich heulen, wenn man sich überlegt was alleine nach dem Krieg noch möglich gewesen wäre (Rampische Strasse, Neustädter Markt, alles stand noch - sogar viele Gebäude zwischen Pirnaischer platz und Altmarkt standen noch).

    Und selbst jetzt könnte mnan in Dresden noch viel retten! Aber, korrupte Politiker, Wirtschaftskriminelle, anonyme Großkonzerne und arrogante, selbstherrliche Architekten ziehen es offenbar vor, Dresden weiterhin mit einer ekelerregenden Architektur und gewollter Zerstörung zu übersähen. Das ganze wird dann den Menschen als “hochmodern” verkauft. Ich sehe hier wenig modernes, dafür sehr viel unpassendes und architektonisch kaum ansprechendes. Es ist offensichtlich dass Politiker, Baulobbyisten, Großkonzerne und offenbar blinde Architekten sich alleine für Profit interessieren und nur auf Kontoauszüge und Bilanzen sehen und möglichst viel Geld machen wollen. Einen Blick auf das Areal, in dem sie bauen wollen, haben sie dabei nicht eine Sekunde geworfen, diese Leute haben kein Interesse an einer schönen Stadt, da nur Profit und Gewinne zählen und all diese Leute meistens weit weg am Rhein oder im Taunus wohnen. Hätten sie sich auch nur eine Sekunde damit beschäftigt, wie Dresden überhaupt ausgesehen hat vor der Zerstörung, wären solche absurden Entwürfe erst garnicbt herausgekommen.

    Es existiert eine demokratisch zustandegekommene Gestaltungssatzung für den Neumarkt, die vom Stadtrat im Juni 2000 beschlossen wurde. Eine solche Satzung, u.a. zum Schutze einer wunderschönen Altstadt vor Attacken geschmacksverirrter Investoren ist normal , sie gibt es schon lange in historisch wertvollen Städten wie Regensburg, Lübeck, Görlitz und vielen anderen. Nur: Dort sind sie rechtsverbindlich, die Neumarktsatzung in Dresden ist es leider (noch) nicht.

    Die Tatsache, dass Leute wie Fessenmayr und Jörn Marx sich hartnäckig weigern die Dresdner Neumarkt-Satzung endlich rechtsbindend zu verabschieden ändert nichts daran dass sie demokratisch legitimiert ist.

    Die angeblichen “Wettbewerbe” sind keine: denn kein einziger dieser Entwürfe hat sich an die Vorgaben der Satzung gehalten. Die Bürger wurden ausgeschlossen, die GHND nicht angehört.
    Fast sämtliche Entwürfe sind im Dekonstruktivismus bzw. postpostmodernen Bauhausstil. Wenn bereits im Vorfeld nur eine solch enge Auswahl von Stilformen überhaupt zugelassen ist, ist natürlich die Konsequenz dass immer wieder dieselben dekonstruktivistischen bzw. Bauhausmodernistischen Entwürfe gewinnen.

    Wenn ich hinter verschlossenen Türen plane und die Bürger erst dann mitreden lasse nachdem bereits entschieden ist, hat das mit Demokratie nicht viel zu tun.

  4. Peter
    March 11th, 2009 14:52
    4

    PS:
    Aber ich will nicht nur meckern - wenn ich den Neumarkt betrachte, bin ich dem HIMMEL dankbar, und danke GOTT dass bereits so viel erreicht wurde. Alleine das Köhlersche Haus, die adF 16 + 17 sind ein Traum!

    Allerdings bin ich mir darüber im Klaren, dass wir den jetzigen “halben” Neumarkt, der schon sehr viel wert ist, nur dem zähen Ringen und unermüdlichen Kämpfen der Dresdner/Innen zu verdanken haben. Hätten wir uns zurückgelehnt, nett gelächelt und geglaubt die Politiker und Baumlobbyisten “machen das schon”, der Neumarkt würde heute nicht so aussehen. Diese Leute haben kein Interesse an Schönheit und Stadtbild, sondern an Profit und Gewinn.

    Die meisten Entwürfe sind eine Katastrophe. Doch eine Ausnahme bildet dieser Entwurf hier:

    http://4.bp.blogspot.com/_hyMAHRDzt_I/SbFTf2yBXwI/AAAAAAAAAms/Kf9thbLxEw8/s1600-h/Neumann_Architekten_BDA.JPG

    http://4.bp.blogspot.com/_hyMAHRDzt_I/SbFTf2yBXwI/AAAAAAAAAms/Kf9thbLxEw8/s1600/Neumann_Architekten_BDA.JPG

    Diesen Entwurf von Neumann Architekten BDA finde ich absolut gelungen. Wieso nehmen Investoren und Politiker keine sinnvollen, sensibel-adaptiven Entwürfe wie diesen? Ich finde die Mischung aus Mansardach und turmartigen Eckdächern gar nicht schlecht. Es erinnert an die typisch Europääische Stadt der Jahrhundertwende, und wirkt urban, gleichzeitig adäquat für den Neumarkt.

    Der Entwurf von Neumann Architekten BDA ist meiner Ansicht nach hervorragend. Die Dresdner sollten sich dafür mit Vehemenz einsetzen, dass ein solcher Entwurf gebaut wird.

    mit freundlichen Grüßen

    Peter

  5. supersonic
    March 12th, 2009 14:27
    5

    HÄ?! Das Gebäude durchtrennt doch die Blickachse Altmarkt-Frauenkirche! Wie kann man da überhaupt etwas hinbauen? Das Gebäude selbst mag ja ganz schick sein aussehen (wäre ja furchtbar, alles moderne aus der Altstadt zu verbannen), aber an diese Stelle etwas hinzupflanzen ist eine Katastrophe!

  6. Lindner J.
    March 14th, 2009 20:10
    6

    Das darf doch nicht wahr sein!!!
    Ich bin wütend und traurig zugleich über soviel armselige Entwürfe!!!
    Einzig gelungener ist der von Neumann Architekten BDA - welch ein Lichtblick. Diesen Entwurf oder keinen!

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