Archive for October, 2006

Ein Würfel geht, ein Kubus kommt

Monday, October 30th, 2006 7:53pm

Am Postplatz – wichtigster öffentlicher Verkehrsknotenpunkt und zugleich größte innerstädtische Brachfläche Dresdens – ist in den letzten Jahren außer dem Bau der umstrittenen DVB-Zentralhaltestelle sowie der Installation einer hochmodernen Beleuchtungsanlage nicht viel passiert. Ob die kühnen Postplatz-Visionen von Joachim Schürmann (Sieger im städtebaulichen Wettbewerb von 1991) jemals Wirklichkeit werden würden, schien angesichts der geringen Mieter-Nachfrage mehr als 16 Jahre nach der Wende durchaus fraglich.

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Nun aber ist für den sog. “Wilsdruffer Kubus”, der gemäß Schürmanns Plan den Übergangsbereich von der Wilsdruffer Straße zum Postplatz wesentlich mitdefinieren wird, ein Hauptmieter gefunden worden: Die SAP Systems Integration AG, eine Tochterfirma von Europas größtem Softwarehersteller SAP, will in das neue Haus am Postplatz ziehen. Der bereits zu 1/3 abgerissene, mittlerweile stark verfallene “Fresswürfel” (ehemals “Gaststätte am Zwinger”) wird damit endgültig der Geschichte angehören, er soll im März 2007 abgebrochen werden. Angesichts des trostlosen Anblicks des Fresswürfels eigentlich ein Grund zur Freude – wenn da nicht der preisgekrönte Entwurf eines Leipziger Architekturbüros wäre, der hinter das ambitionierte Projekt ein großes Fragezeichen setzt:

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Befremdlich mutet der Kommentar der Jury an, die den Sieger-Entwurf vom Juni d. J. wie folgt kommentiert hatte:
“Die Arbeit überzeugt durch die Stringenz der gerasterten, angenehm richtungslosen Fassadengliederung. Der Verzicht auf eine horizontale Strukturierung des Gebäudes erzeugt eine in sich ruhende Kraft und eine wohltuende Erdung. Dieser Charakter wird durch den Sandstein unterstrichen, der durch die Aufdopplung im Bereich der Fensterbrüstungen noch betont wird. Die zweigeschossige Öffnung zum Postplatz überzeugt ebenso wie die zweigeschossige Arkade mit ihrer partiellen vertikalen Öffnung über die Dachfläche hinaus.”

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Abgesehen von einer – längst überfälligen – Verengung der Wilsdruffer Straße kann ich in diesem Entwurf keinen konstruktiven Beitrag zum Dresdner Baugeschehen im Allgemeinen und zur städtebaulichen Entwicklung des Postplatzes im Speziellen erkennen. Die Begründung des Preisgerichts erscheint abgehoben und sonderbar weltfremd. Was genau soll sich der Leser unter “angenehmer Richtungslosigkeit” vorstellen? Niemand wird ernsthaft erwarten, dass analog zum Neumarkt nun auch am Postplatz eine Rückkehr zur historischen Postkarte bevorsteht. Dass aber für einen derart sensiblen Standort – einen Steinwurf von Dresdens wertvollsten architektonischen Kostbarkeiten entfernt – ausgerechnet ein Entwurf preisgekrönt wurde, dessen austauschbare Fassade in keiner erkennbaren Beziehung zum historischen Umfeld steht, und dessen Gestalt- und Strukturlosigkeit darüber hinaus zum entscheidenden Gestaltungsmerkmal erklärt und wortgewaltig gefeiert werden, macht mich sprachlos.
Wer die Begründung des Preisgerichts im Detail nachlesen will, kann dies hier tun: http://www.baunetz.de/db/news/?news_id=82415

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Bildnachweis: Schulz & Schulz Architekten, Leipzig

“Diese Passage ist ein Skandal”

Monday, October 30th, 2006 10:02am

Wenn es um den Neumarkt geht, sind verbale Superlative an der Tagesordnung – im Guten wie im Schlechten. Und so hätte das Urteil des ehemaligen Dresdner Baubürgermeisters Gunter Just über die neue “QF”-Passage kaum vernichtender ausfallen können: “Diese Passage ist ein Skandal”, schimpfte der Stadtplaner anlässlich eines Kolloquiums, das die Klasse Baukunst der Akademie der Künste zur städtebaulichen Entwicklung am 21. Oktober veranstaltet hatte. “Da hat man uns italienisches Flair versprochen und jetzt fehlt da jegliche Noblesse. Das ist die schlechteste Einkaufspassage, die in Dresden gebaut wurde.”

Was in der Tat negativ ins Auge fällt, ist die wenig edle Verarbeitung und Ausgestaltung der Passage im Detail. Das Glasdach wirkt schmutzig, der Boden billig, das Ambiente insgesamt karg, die Passage will nicht so recht zum Verweilen einladen. Da die Entwicklung des Quartiers auf mich bislang einen sehr überzeugenden Eindruck gemacht hatte, habe ich das Architekturbüro von Döring angeschrieben und um ein Statement zum Bauergebnis gebeten. In dem Antwortschreiben – im übrigen ein sehr lobenswerter Ausdruck von Dialogbereitschaft und Transparenz seitens der Planer – heißt es u.a.:

“Vieles ist noch provisorisch im Quartier. Daher auch die vielen Stellen, die noch so unfertig aussehen. Als Beispiel ist auch das Balkongeländer [am Kopfbau zum Fürstenzug hin, Anm.] zu nennen, dieses ist nur ein Muster, das wir vorab anbringen lassen haben. Das Original wird aus stärkerem Stahlblech sein, hinter das Blech kommen – wie auch auf die Fassadenelemente im Erdgeschoss – noch bedruckte oder emaillierte Glaselemente. Auch wir sind mit der Qualität der Passage unzufrieden. Der Gussasphalt ist in absolut unbefriedigender Qualität eingebracht und erweckt im Moment tatsächlich nicht den gewünschten hochwertigen Eindruck. Wir wollten allerdings von Anfang an einen homogenen Bodenbelag, da wir so viele Richtungen in der Passage haben, dass das mit einer Plattenverlegung äußerst problematisch wäre. Die Farbgestaltung der Passage (teilweise Wände und Stützen) ist noch nicht hundertprozentig fertigestellt. Auch fehlen noch Elemente wie Bänke und andere Einrichtungsgegenstände, die die Aufenthaltsqualität steigern. Dies wird aber alles noch kommen. Ansonsten soll die Passage nicht in den Vordergrund treten sondern die Bühne für die Läden darum sein.”

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Moderne Schauseite des “QF” zum Fürstenzug hin.

Herumgewurschtel statt Vision

Friday, October 20th, 2006 11:20am

Wie ein wirklich innovativer, künstlerisch wertvoller Beitrag zum Baugeschehen am Neumarkt aussehen kann, hat vor wenigen Jahren das Architekturbüro Behnisch, Behnisch & Partner mit dem sogenannten “Blumenhaus” – einem Entwurf für das Quartier V/1 – demonstriert, das aufgrund eines Aufschreis der historiekonformen Neumarkt-Fraktion wieder in der Versenkung verschwunden ist:

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Dieser Entwurf ist genau das, was ich mir für die modern gestalteten Häuser Neumarkt so sehr wünsche: Mut zu einer neuen Ornamentik, Farbenfroheit, eine heitere, geradezu verspielte Formensprache, die die Heiterkeit des Barock neu interpretiert und mit der strengen Rechtwinkligkeit der Moderne bricht. Was für ein Jammer, dass dieser Entwurf zurückgezogen wurde!

Stattdessen werden wir uns in naher Zukunft wieder mit “Kistenarchitekturen” zu beschäftigen haben, die eine überfordert wirkende Stadtplanung für das an die Nordseite des Kulturpalastes grenzende Quartier VII vorgesehen hat (Entwurf: dd1architekten, 1. Preis im Rahmen eines Werkstattverfahrens der Landeshauptstadt Dresden, April 2006).

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Das “Blumenhaus” wäre ein Entwurf gewesen, der beide Lager – Modernisten wie Traditionalisten – hätte näher zusammenführen können. Leider ist dieses ambitionierte Vorhaben durch allzu lautstarke Proteste zu Fall gebracht worden, der Investor aus dem Projekt bedauerlicherweise ausgestiegen. Nun geht es weiter wie gehabt: Weil beide Lager von der Angst getrieben werden, die von ihnen jeweils favorisierte Architektursprache käme am Neumarkt zu kurz, werden wir uns auf weitere unschöne Konfrontationen vorbereiten müssen. Ich sehe abermals ein fast schon ritualisierte Gezerre auf uns zukommen: Ein vermutlich nicht ortsansässiger Investor wird entsprechend der Vorgaben der Stadt das Quartier großflächig beplanen, ohne die Explosivität des Neumarkt-Themas ausreichend zur Kenntnis genommen zu haben. Nach der öffentlichen Vorstellung der Entwürfe wird es Proteste hageln, was vermutlich dazu führen wird, dass man einen Kompromiss suchen wird, der z. B. dazu führen könnte, dass der strengen Rechtwinkelarchitektur ein Mansarddach aufgesetzt und vielleicht etwas mehr Putz auf die Fassaden appliziert wird. Ich wünschte, dass beide Seiten von ihrem Dogmatismus ablassen könnten, damit neben den unbestreitbar notwendigen Leitbauten etwas wirklich Besonderes am Neumarkt entstehen kann, und nicht ein Herumgewurschtel wie es sich insbesondere auf dem Quartier VII schon jetzt abzeichnet. Eine innovative Architektur wird so in jedem Falle nicht entstehen!

Die Abbildungen sind im übrigen den neuen, hübsch gestalteten Neumarkt-Broschüren entnommen, die die Stadtplanung zwecks Marketing (u.a. auf der anstehenden Immobilienmesse “Expo Real” in München) hat produzieren lassen und die als PDF-Dokumente auf der Homepage der Landeshauptstadt heruntergeladen werden können:

Bildnachweis: Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt

Stadtentwicklung aus 15 Jahren

Wednesday, October 18th, 2006 2:05pm

Die Klasse Architektur der Sächsischen Akademie der Künste veranstaltet am Samstag, den 21. Oktober ein Kolloquium über die städtebauliche Entwicklung Dresdens seit 1990. Von 10 bis 22 Uhr werden Experten im Festsaal des Blockhauses (Neustädter Markt 19) Vorträge zu sieben Themen halten, die jeweils im Anschluss diskutiert werden. Das Themenspektrum reicht von der Äußeren Neustadt bis zur Kulturlandschaft Elbraum.