Archive for the Category 'Neumarkt'

Ein fragwürdiger Übergang

Saturday, March 07th, 2009 12:37am

Die Ergebnisse des Architektur-Wettbewerbs für das Neumarkt-Quartier V/I, ausgelobt von der Bauherrin, der KIB Projekt GmbH aus Nürnberg, liegen vor. Das städtebaulich sensible Gebiet an der Frauen- und Galeriestraße wird künftig als Bindeglied zwischen dem von der Nachkriegsarchitektur der 50er bis 70er Jahre geprägten Altmarkt und dem überwiegend nach historischem Vorbild wieder bebauten Neumarkt fungieren.

Die Jury spricht von einem “positiven Beitrag”, um die Architektur der Nachkriegsmoderne und das Neumarkt-Konzept zu verbinden. Die Ergebnisse – allesamt modernistisch und in grobem Kontrast zu traditionellen Bauformen stehend – sprechen für sich:
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1. Platz: F29 Architekten (Christian Schmitz/Peter Zirkel), Dresden

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2. Platz: Kupferschmidt Architekten, München

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3. Platz: Zander Architekten, Dresden

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Die Modellfotos zeigen den erstplatzierten Entwurf im Kontext der benachbarten Gebäude. platz1_modell3.jpg

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Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V. reagierte mit Entsetzen auf die prämierten Entwürfe und formuliert dazu in einer gestern ausgegebenen Pressemitteilung:

“Nach Jahren des Ringens, intensiver Diskussion und sichtbarer Erfolge am Neumarkt ist es völlig unverständlich, wie eine von der Stadt eingesetzte Wettbewerbsjury Entwürfe prämieren kann, die auf so eklatante und provozierende Weise gegen die vom Stadtrat gebilligte städtebaulich-gestalterische Gestaltungssatzung für den Dresdner Neumarkt verstoßen. Kein einziger prämierter Entwurf hält die Vorgaben ein: das Wettbewerbsergebnis ist damit aufzuheben. […] Besonders die Vorauswahl der teilnehmenden Architekturbüros und der Jury seitens der Verwaltung führt zu Zwangsergebnissen, die der Investor nicht zu verantworten hat. Auch hat sich wiederholt gezeigt, dass Architektur- oder Werkstattwettbewerbe auf Grund ihrer jetzigen einseitigen Ausrichtung auf modern entwerfende Architekten kein geeignetes Mittel sind, um zu einer akzeptablen Lösung zu kommen. Architekturwettbewerbe werden derzeit dazu genutzt, bestimmte baukulturpolitische Ziele zu legitimieren und diese gegenüber einer andersdenkenden Mehrheit durchzusetzen.”

Neues Bauen in Dresden: Impressionen zum Jahreswechsel

Tuesday, January 06th, 2009 1:53pm

Nach langer Pause möchte ich den Jahreswechsel nutzen, um einige ausgewählte Blicke auf das aktuelle innerstädtische Baugeschehen in Dresden zu werfen.

Gerade weil fast alle der im Verlauf des letzten Jahres in diesem Blog berichteten Bauprojekte sich im Bereich der Altstadt befinden, beginne ich heute zur Abwechslung einmal auf der Neustädter Seite. Dort ist eine bedeutsame Baulücke geschlossen worden, die das von barocker Originalsubstanz dominierte Areal um die Dreikönigskirche zwischen Hauptstraße und Königstraße deutlich aufwertet.

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Wo noch vor zwei Jahren Müllcontainer und parkende Autos einen ernüchternden Kontrast zum ansonsten gehobenen Ambiente der Königstraße bildeten, ist in der Zwischenzeit das “Hotel Bülow Palais” entstanden.
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Mit bemerkenswerter Selbstverständlichkeit nimmt der als Stahlbetonbau errichtete Komplex seinen Platz im Ensemble der historischen Barockgebäude ein. Selbst die für den Barock typischen illusionistischen Wandmalereien fehlen nicht, wie an den beiden mittleren Fensterachsen im oberen Bild (wohl erst auf den zweiten Blick) zu erkennen ist.
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Bis auf den teilweise noch unverkleideten Sockel weist kaum etwas auf die Tatsache hin, dass es sich hier um einen Neubau handelt.
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Besonders erfreulich an diesem Projekt wiegt der Umstand, dass es ohne die berüchtigten Dresdner Streitereien und Rangeleien zwischen Architektengremien, Gestaltungskommissionen, Baubürgermeistern und Bürgerinitiativen zustande kam. Mehr davon!

Am Neumarkt ist in der Zwischenzeit auch die “Heinrich-Schütz-Residenz” fertiggestellt worden, die als Seniorenheim der Extraklasse betrieben und derzeit vermietet wird.
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Die Rekonstruktionen des ehemaligen Wohnhauses von Heinrich Schütz sowie des sog. Köhlerschen Hauses gehören zu dem – vor allem in bildhauerischer Hinsicht – bemerkenswertesten, was bisher am Neumarkt geschaffen wurde. Höhepunkt dieser Leistung ist fraglos der runde Erker des Schütz-Hauses, in den geborgene Original-Fragmente integriert wurden.
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Kaum weniger beeindruckend fällt der plastische Schmuck des benachbarten Köhlerschen Hauses aus:
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Der moderne Anbau des Schütz-Hauses präsentiert sich als elegant geschwungener Baukörper und stellt aus meiner Sicht den wohl am stärksten gelungenen Akzent der Moderne am Neumarkt dar.
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Am östlichen Rand des Neumarkt-Gebiets, zwischen Polizeipräsidium und Albertinum, ist das Kurländer Palais mittlerweile äußerlich fertiggestellt:
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Kaum vorstellbar, dass es sich bei diesem Bau noch vor knapp zwei Jahren um eine Kriegsruine handelte: Der Bombenkrieg und der darauffolgende, mehr als 6 Jahrzehnte währende Verfall hatten kaum mehr als die Giebelseite und einige Mauerreste übrig gelassen.

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Schlendert man vom Kurländer Palais in Richtung Frauenkirche, fällt das Bauprojekt der Innside Hotel GmbH ins Auge, die in der Rampischen Straße einen umstrittenen Hotelkomplex errichtet, der die ehemaligen Parzellen Rampische Straße 9 bis 21 umfasst. Das untere Bild zeigt das Stahlbetonskelett der Rampischen Straße 9, das mit Ziegelmauerwerk ausgefacht wird:
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Während der vom Architekturbüro Woerner & Partner gelieferte Entwurf die Rekonstruktion der Fassaden 9 und 19 nach barockem Vorbild vorsieht, werden die Numern 11 bis 17 zu einem durchgehenden, modern gestalteten Komplex mit nur sechs Fensterachsen zusammengefasst:

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Die Gesellschaft Historischer Neumarkt, die in unmittelbarer Nachbarschaft ihr eigenes Rekonstruktionsprojekt verfolgt – mittlerweile ist das Erdgeschoss im Rohbau fertiggestellt (s.u.) – merkt dazu kritisch an: “Sowohl durch übergroße Stockwerkshöhen als auch durch das bewußte Nichtbeachten der historischen Fenstermaße (sechs überbreite Öffnungen statt ehemals 14 schmale Fenster!) wird die wichtige Kleinteiligkeit der Rampischen Straße völlig zerstört. Dieser fehlende Bezug zur historischen Maßstäblichkeit wertet die gesamte bisherige Wiederaufbauleistung ab.”

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Unmittelbar in das Platzbild des Neumarkts hinein wirkt die imposante, elegant abgerundete Fassade von Neumarkt 2 (Quartier III).
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Szenenwechsel: Nur wenige Hundert Meter von der Frauenkirche entfernt entfaltet sich das z.T. futuristisch anmutende Platzbild des Postplatzes, das kaum noch Bezüge zum Vorkriegszustand aufweist. Das Bild unten zeigt auf der rechten Seite den bezugsfertigen “Wilsdruffer Kubus”, links das bereits in den 90er Jahren fertiggestellte “Haus am Zwinger”, im Vordergrund Elemente der neuen Platzbeleuchtung sowie den sog. “Waterscreen”, ein dauerdefektes Wasserspiel.
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Wirkt der Wilsdruffer Kubus in der Frontalansicht sehr massiv und wuchtig, vermag das Fassadenbild bei seitlicher Betrachtung durchaus zu gefallen. Dies bewirkt v.a. das Zusammenspiel aus den zurückgesetzten Fenstern, den weit herausragenden Sohlbänken aus Naturstein sowie den deutlich sichtbaren Fugen der Natursteinverkleidung.
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Oben: Zu dem großen Kubus gesellt sich ein kleiner, schwarz verkleideter Würfel, dessen Haupteingang zur Wilsdruffer Straße hin gelegen ist. Das m.E. eher abweisend gestaltete Gebäude hat nichstetrotz schnell einen Mieter aus dem Gastronomiebereich gefunden.
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Obwohl der Wildsruffer Kubus durchaus gestalterische Qualitäten besitzt, vermag der Kontrast zwischen dem architektonischen Feuerwerk des Zwingers und der Strenge des Neubaus kaum zu überzeugen:
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Die durch das Haus am Zwinger und den fertig gestellten Wilsdruffer Kubus gebildete Gasse präsentiert sich als abgeschotteter, wenig einladender städtischer Raum.

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An der Frauenkirche 22: Architekturbüro woernerundpartner distanziert sich von Ausführung

Wednesday, May 14th, 2008 2:52pm

Die vom Architekturbüro woernerundpartner entworfene, zeitgenössisch gestaltete Fassade für das Haus An der Frauenkirche 22 gehört zum Neumarkt-Komplex “Juwel an der Frauenkirche” (Quartier III), welcher vom Investor Baywobau realisiert wird und äußerlich mittlerweile nahezu fertiggestellt ist.

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woernerundpartner haben sich mittlerweile von der Ausführung ihres Entwurfs distanziert und nehmen dazu wie folgt Stellung:

“Mit der Übergabe der Entwurfspläne an das bereits beauftragte Planungsbüro endete unsere Beteiligung an der Gestaltung – die Pläne galten nunmehr als Grundlage für die weitere Fassadenplanung.

Von dem nun vorliegenden Ergebnis distanzieren wir uns ausdrücklich; es widerspricht unserer Planung und ihren wesentlichen, prägenden Gestaltungsvorgaben. Insbesondere die Fugenplanung, die Materialwahl und Farbigkeit wurden grob vernachlässigt und falsch interpretiert. Die von uns entwickelte Fassadenwölbung reduzierte man zu einem ‘Knick’. Ein zusätzlicher Farbanstrich führt zum Eindruck einer ‘plastikverkleideten’ Fassade, und die nachträglich aufgezeichneten Fugen können nur als Versuch einer Schadensbegrenzung gewertet werden.

Moderne, zeitgenössische Architektur ist ja nicht erst seit ihrer Etablierung am Neumarkt für viele ein Reibungspunkt – und der Diskussion um unsere Entwürfe stellen wir uns immer gern. Wenn diese Entwürfe allerdings ohne unsere Beteiligung in einer gestalterisch und baulich minderwertigen Qualität umgesetzt werden, wie im vorliegenden Fall geschehen, können und wollen wir diese auch nicht verteidigen.”

“Neues innerstädtisches Wohnen am Löwenhof”

Thursday, April 17th, 2008 4:22pm

Ein Architekturwettbewerb um die Gestaltung des östlichen Teils des Quartier VIII am Neumarkt (Investor: Baywobau) ist entschieden. Gewonnen haben STELLWERK architekten, ein junges Dresdner Architekten-Team um den interdisziplinären Architekten und Gestalter Philipp Herrich, der in freier Mitarbeit auch schon an der Planung des Quartier I ( “Quartier an der Frauenkirche” ) beteiligt war.

Unter dem Motto “neues innerstädtisches Wohnen am Löwenhof” sieht das Konzept in unmittelbarer Nachbarschaft von Stallhof und Johanneum einen lichtdurchfluteten, sehr modern gestalteten Innenhof als Herzstück eines Häuserblocks vor, dessen Fassaden zu den Straßenseiten hin überwiegend nach historischem Vorbild rekonstruiert werden sollen. Eine Ausnahme bildet eine zurückhaltend modern gestaltete Fassade, die sich an das rekonstruierte, sogenannte “Bosesche Haus” anschließt.

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Hier Auszüge aus der Projektbeschreibung, wie sie auf der Website von STELLWERK architekten nachzulesen ist:

“Mitten im Herzen der historischen Altstadt – zwischen Johanneum und Schloss, in direkter Nachbarschaft zur wiederaufgebauten Frauenkirche entsteht das älteste Wohnquartier der Stadt neu. Seit etwa 10 Jahren wird dieser Platz durch den schrittweisen Neubau der einzelnen Quartiere wieder in das Bewußtsein der Dresdner und ihrer Gäste zurück geholt.

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Mit dem Neubau am Löwenhof soll erstmals ein fast reines Wohnquartier am Neumarkt entstehen. Der Bauherr wünscht sich in dem Gebäude Wohnungen mit einer besonderen Qualität der Grundrisse, der Ausstattung und mit einer Fassade, die dem gesamten Baukörper eine unverwechselbare Gestalt gibt und zu einer positiven Identifikation der Mieter mit „ihrem“ Haus führt.

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Dem Innenhofbereich kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu, er wird zum Mittelpunkt für alle Bewohner der daran angeschlossenen Häuser. Während im vorderen Teil an der Schössergasse noch eine öffentliche Nutzung durch das Restaurant erfolgt, ist der hintere, private Bereich des Hofes durch einen Höhensprung klar abgetrennt und nur für die Mieter zugänglich. Die Öffnung des Hofes im vorderen Teil, als Erweiterung der Schössergasse, erscheint im gewählten Rahmen möglich und verleiht dem Innenhof durch das Miteinander von Gastronomie und Wohnen das Flair einer italienischen Piazetta.

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Subtile Knicke entlang der Fassade des Hauptbaus gliedern den Baukörper im Innenhofbereich und optimieren die Belichtungsverhältnisse. Der gegenüberliegende Anbau des Boseschen Hauses korrespondiert mit den Eingriffen in die Kubatur des Hauptbaus.

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Resultat ist eine eindeutige Zonierung des Löwenhofs in zwei Teilbereiche. Die Grenze ergibt sich entlang der Verengung zwischen den beiden Baukörpern. Der vordere Teil bleibt durch eine Gastronomie im Erdgeschoss und im Außenbereich öffentlich erlebbar - der hintere Teil wird zum Wohnhof. Die aussen-räumliche Qualität liegt im Wechsel dieser beiden unterschiedlichen, aber eindeutig definierten Räume.

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Die mit Holzwerkstoffplatten verkleidete Fassade wird durch den Wechsel von offenen und geschlossenen Bereichen sowie durch bewegliche, als Sonnenschutz dienende, Schiebeelemente rhythmisiert. Eingeschnittene Loggien verleihen der Fassade Tiefe und setzen die innere Wohnqualität nach aussen fort.”

Bildmaterial: STELLWERK architekten