Gewandhaus-Streit: Blobel mischt die Karten neu
Der Mann ist immer wieder für eine Überraschung gut: Der in New York lebende Dresden-Förderer und Nobelpreisträger Günther Blobel ist bei der Dresdner Stadtplanung aufgrund seiner folgenreichen Einmischung in die Debatte um die Waldschlößchenbrücke ohnehin nicht gerade beliebt. Nun hat er dem Vorhaben der Landeshauptstadt, das Quartier VI inklusive ehemaligem Gewandhausareal komplett an das Investorengespann Arturo Prisco/Kai von Döring/Kondor Wessels zu veräußern, einen Strich durch die Rechnung gemacht: Obwohl die Stadt nach außen hin stets den Anschein erweckte, die alleinige Verfügungsgewalt über das umstrittene Areal zu haben, fehlte ihr de facto ein wichtiges Grundstück: die Parzelle Neumarkt 13, die besagter Herr Blobel nun, amtlich bestätigt, von einer jüdischen Erbengemeinschaft erworben hat.
Mit dem Grundstückserwerb hat sich Blobel in jedem Falle ein Mitspracherecht bei den weiteren Planungen für das Quartier VI gesichert: Blobel macht keinen Hehl daraus, dass er eine neue Bebauung auf der Fläche des alten, 1791 ersatzlos abgerissenen Gewandhauses entschieden ablehnt. Er gibt damit die Position der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden wieder, die eine massive, nachteilige Beeinträchtigung des Platzbildes fürchtet (siehe Visualisierung unten):
Der Platz würde zu stark verengt, wichtige Blickbeziehungen versperrt und eine städtebauliche Situation geschaffen, die vor über 200 Jahren mit der Beräumung dieser Fläche ganz bewusst beseitigt worden sei. Das Anliegen, den Neumarkt in weitgehender Anlehnung an den Vorkriegszustand zu bebauen, sei mit dieser Neudefinition der Platzkanten ad absurdum geführt. Die Stadtplanung hingegen argumentiert, die Neubebauung des Gewandhausareals führe zur Entstehung einer reizvollen Abfolge kleinere Platzräume („Piazetten“), die den Neumarkt deutlich aufwerteten. Was die Stadtplanung dabei gerne unerwähnt lässt, ist der Umstand, dass die Neubebauung komplett in moderner Architektursprache erfolgen müsste – eben weil es an diesem Ort keine historischen Vorgängerbauten gab, an denen man sich gestalterisch orientieren könnte.
Ich meine: Dass sich moderne Architektursprache am Neumarkt durchaus positiv ins Gesamtbild integrieren kann, zeigen die modern interpretierten Bauten der Quartiere I („Quartier an der Frauenkirche“) und IV („Hotel de Saxe“). Im Falle des weit in den Neumarkt hineinragenden Gewandhausareals allerdings würde die moderne Architektur das Quartier nicht mehr ergänzen, sondern unangefochten dominieren – und das nach drei Seiten hin. Insofern dürfte die Investition von Herrn Blobel die Diskussion um Bebauung oder Nichtbebauung dieses wichtigen Areals poduktiv bereichern. Die Stadtplanung jedenfalls, allen voran vertreten durch Baubürgermeister Feßenmayer, hat sich an dieser sensiblen Stelle bislang als zu wenig gesprächsbereit gezeigt.
Die Visualisierung der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden zeigt einen nach historischem Vorbild gestalteten Neumarkt OHNE neu bebaute Gewandhausfläche. Bei dem von Günther Blobel erworbenen Grundstück Neumarkt 13 handelt es sich um das zweite Gebäude von links.