Archive for July, 2006

Gewandhaus-Streit: Blobel mischt die Karten neu

Saturday, July 29th, 2006 3:52pm

Der Mann ist immer wieder für eine Überraschung gut: Der in New York lebende Dresden-Förderer und Nobelpreisträger Günther Blobel ist bei der Dresdner Stadtplanung aufgrund seiner folgenreichen Einmischung in die Debatte um die Waldschlößchenbrücke ohnehin nicht gerade beliebt. Nun hat er dem Vorhaben der Landeshauptstadt, das Quartier VI inklusive ehemaligem Gewandhausareal komplett an das Investorengespann Arturo Prisco/Kai von Döring/Kondor Wessels zu veräußern, einen Strich durch die Rechnung gemacht: Obwohl die Stadt nach außen hin stets den Anschein erweckte, die alleinige Verfügungsgewalt über das umstrittene Areal zu haben, fehlte ihr de facto ein wichtiges Grundstück: die Parzelle Neumarkt 13, die besagter Herr Blobel nun, amtlich bestätigt, von einer jüdischen Erbengemeinschaft erworben hat.

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Mit dem Grundstückserwerb hat sich Blobel in jedem Falle ein Mitspracherecht bei den weiteren Planungen für das Quartier VI gesichert: Blobel macht keinen Hehl daraus, dass er eine neue Bebauung auf der Fläche des alten, 1791 ersatzlos abgerissenen Gewandhauses entschieden ablehnt. Er gibt damit die Position der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden wieder, die eine massive, nachteilige Beeinträchtigung des Platzbildes fürchtet (siehe Visualisierung unten):

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Der Platz würde zu stark verengt, wichtige Blickbeziehungen versperrt und eine städtebauliche Situation geschaffen, die vor über 200 Jahren mit der Beräumung dieser Fläche ganz bewusst beseitigt worden sei. Das Anliegen, den Neumarkt in weitgehender Anlehnung an den Vorkriegszustand zu bebauen, sei mit dieser Neudefinition der Platzkanten ad absurdum geführt. Die Stadtplanung hingegen argumentiert, die Neubebauung des Gewandhausareals führe zur Entstehung einer reizvollen Abfolge kleinere Platzräume („Piazetten“), die den Neumarkt deutlich aufwerteten. Was die Stadtplanung dabei gerne unerwähnt lässt, ist der Umstand, dass die Neubebauung komplett in moderner Architektursprache erfolgen müsste – eben weil es an diesem Ort keine historischen Vorgängerbauten gab, an denen man sich gestalterisch orientieren könnte.

Ich meine: Dass sich moderne Architektursprache am Neumarkt durchaus positiv ins Gesamtbild integrieren kann, zeigen die modern interpretierten Bauten der Quartiere I („Quartier an der Frauenkirche“) und IV („Hotel de Saxe“). Im Falle des weit in den Neumarkt hineinragenden Gewandhausareals allerdings würde die moderne Architektur das Quartier nicht mehr ergänzen, sondern unangefochten dominieren – und das nach drei Seiten hin. Insofern dürfte die Investition von Herrn Blobel die Diskussion um Bebauung oder Nichtbebauung dieses wichtigen Areals poduktiv bereichern. Die Stadtplanung jedenfalls, allen voran vertreten durch Baubürgermeister Feßenmayer, hat sich an dieser sensiblen Stelle bislang als zu wenig gesprächsbereit gezeigt.

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Die Visualisierung der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden zeigt einen nach historischem Vorbild gestalteten Neumarkt OHNE neu bebaute Gewandhausfläche. Bei dem von Günther Blobel erworbenen Grundstück Neumarkt 13 handelt es sich um das zweite Gebäude von links.

Frischekur für das Landhaus

Friday, July 28th, 2006 10:40am

Angesichts eines äußerst dichten und vielfältigen Neubau- und Planungsgeschehens in Dresden tritt so manch bewahrende Maßnahme in den Hintergrund. Darum an dieser Stelle zwei Fotos vom frisch sanierten Landhaus, welches das Dresdner Stadtmuseum beherbergt und einen der wenigen architektonischen Höhepunkte auf der Wilsdruffer Straße darstellt:

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Letzte Fassadenarbeiten am “QF”

Sunday, July 23rd, 2006 2:10am

Am Neumarkt / Quartier I wurde das Stahlgerüst montiert, welches die künftige – zwecks Betonung des Passageneingangs nach vorn springende – Sandsteinverkleidung aufnehmen wird.

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Auch am Kopfbau zum Fürstenzug hin sind die Gerüste inzwischen gefallen. Im Vergleich zum ersten Anstrich fällt die Farbgebung nun deutlich dezenter aus.
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Prager Strasse: Waben-Recycling für das “Forum Dresden”

Wednesday, July 19th, 2006 10:26am

Der bevorstehende Abriss des ehemaligen Centrum-Warenhauses an der Prager Straße hat nicht wenige Dresdner bekümmert, gehört das Gebäude mit seiner eigenwilligen Aluminium-Wabenfassade doch zu den markantesten Architekturen, die die DDR-Zeit in Dresden hinterlassen hat. Da das Gebäude keinen Denkmalschutz genießt, der Abriss also auch von prominenten Fürsprechern und einer eigens dafür gegründeten Bürgerinitiative nicht verhindert werden konnte, blieb nur die Hoffnung, dass wenigstens die Fassadengestaltung des geplanten “Forum Dresden” auf den sozialistischen Vorgängerbau Bezug nehmen würde.

Am 27. Juni nun wurden die Ergebnisse eines Fassadenwettbewerbs präsentiert, den der Investor und neue Eigentümer des Kaufhauses – die Firma Multi Development Germany GmbH aus Düsseldorf – ausgelobt hatte. Über den mit dem 1. Preis bedachten Entwurf des Dresdner Architekten Peter Kulka dürften sich all jene gefreut haben, die mit einem weiteren gesichtlosen Allerwelts-Einkaufstempel gerechnet haben:

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Kulkas Entwurf sieht eine Wiederverwendung der Aluminium- Fassadenelemente vor; nicht Zäsur, sondern Kontinuität bildet das Programm. Erfreulich daran: “Ostmoderne” Formensprache wird nicht auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt, sondern respektvoll-kreativ in eine neue Architektur integriert. Dresdner Stadtgeschichte wird nicht ausradiert, sondern fortgeschrieben. Bemerkenswert ist dabei, wie Kulka durch einen Mix verschiedener Materialien die Auflockerung der gewaltigen, 52.000 qm Mietfläche umfassenden Baumasse des künftigen Einkaufszentrums erreicht: Die “recycelten” Waben des alten Centrum-Warenhauses werden zur Verkleidung der oberen Gebäudeteile verwendet, wobei die Ecke zum künftigen “Prager Platz” eine besondere Betonung erfährt. Eine goldene Metallfassade vor schwarzem Hintergrund sorgt für einen edlen Touch. Markante Gebäudeabschnitte schließlich – etwa der Eingangsbereich oder der Zugang zum Parkhaus – werden aus Glas gestaltet.

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Die Visualisierung mit Blick nach Norden (oben) zeigt, dass das “Forum Dresden” – trotz seiner enormen Abmessungen und einer deutlich verengten Prager Straße – aufgrund der abwechslungsreichen Materialwahl nicht schwer und klobig daherkommt, sondern sogar eine gewisse Leichtigkeit besitzt. Der künftige “Prager Platz” wird durch die Öffnungen in der Fassade nicht abgeriegelt, sondern einladend begrenzt.

Ob Dresden im Innenstadtbereich wirklich ein Einkaufszentrum in diesen Dimensionen benötigt, vermag ich nicht zu sagen. Dass allerdings architektonisch und stadtplanerisch eine hochwertige Lösung gefunden wurde, welche sensibel auf die (Nachkriegs-)Geschichte Dresdens an diesem Ort reagiert, daran habe ich keinen Zweifel.

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Bildmaterial: Peter Kulka Architektur / Multi Development Germany

Peter Kulka, gebürtiger Dresdner, zeichnete in Dresden u.a. für den Neubau des Sächsischen Landtags sowie die Sanierung des Deutschen Hygienemuseums verantwortlich.