Dresden als touristische “Ramsch-Destination”?

Ungewöhnlich vernünftige Töne dringen derzeit aus dem Dresdner Rathaus an die Öffentlichkeit – formuliert durch Wirtschaftsbürger Dirk Hilbert (FDP), der sich gegen den Bau immer neuer Hotels in der Dresdner Innenstadt wehrt und sich stattdessen für die nähere Prüfung einer Neumarkt-Kulturstiftung einsetzt, die von einem Wiener Finanzmanager und Kunstmäzen ins Gespräch gebracht wurde.

Blicken wir zurück: Peter Pühringer von der POK Pühringer Privatstiftung, die bereits etliche bedeutende Kulturprojekte in Österreich gefördert hat, hatte angeboten, einen achtstelligen (!) Betrag in eine noch zu gründende Kulturstiftung Dresdner Neumarkt zu geben, um eine kulturell anspruchsvolle Bebauung der Quartiere VI, VII und VIII zu gewährleisten. Die Stadt solle ihrerseits die vorhandenen Grundstücke einbringen. Pühringer hatte den Dresdner Oberbürgermeister Lutz Vogel nach Wien zu einem Galadinner eingeladen, um sein Konzept für eine qualitativ hochwertige Fortführung des Neumarkt-Aufbaus persönlich zu erläutern. Doch Vogel hatte – wenig feinfühlig und offenbar unerfahren im Umgang mit Mäzenen – die Einladung ausgeschlagen, um seinerseits Pühringer nach Dresden zu bitten; er solle seine Stiftungsidee dort in “echter Arbeitsatmosphäre” vorstellen: eine geradezu unverzeihliche Taktlosigkeit, wenn man bedenkt, dass die städtebauliche Entwicklung der Landeshauptstadt mit mindestens 10 Millionen Euro gefördert werden sollte.

Während Vogel den Wiener Mäzen verprellte, machte gleichzeitig der Bauausschuss den Weg für ein weiteres Luxushotel an der Schloßstraße frei, und wieder einmal war es die Baywobau, die in Kooperation mit der TLG zum Zug kam – ganz sicher kein Glücksfall für Dresden, wenn man bedenkt, dass die Baywobau mit ihrem kommerzialisierten “Beton-Barock” innerhalb der Quartiere 3 und 4 das Projekt eines am historischen Vorbild orientierten Neumarkts bereits reichlich diskreditiert hat.

Es ist offensichtlich, dass am Neumarkt wieder einmal der Wunsch nach langfristigen, qualitativ hochwertigen Investitionen unversöhnlich mit den Verlockungen der schnellen Renditen zusammenprallt. Einmal mehr wird die komplexe, aber dafür visionäre und anspruchsvollere Lösung zugunsten eines kurzfristig gedachten, visionasarmen, aber dafür einfacher und schneller umzusetzenden Konzeptes verworfen. In diesem Falle heißt das: Statt eines lebendigen, differenziert gestalteten Neumarktes macht sich eine Hotel- und Shopping-Center-Monokultur am Neumarkt breit, die von den hübschen Fassaden der Gebäude kaum verborgen werden kann.

Dabei ist das Dilemma offensichtlich: Nachdem Ende 2005 u.a. das Kongresshotel Maritim, das Hotel de Saxe und das QF Hotel an der Frauenkirche eröffnet wurden, befinden sich weitere Hotels wie z.B. das Intercity Hotel am Wiener Platz, das Hotel Haus am Zwinger, das Holiday Inn am Dr.-Külz-Ring oder das Hotel am Bahnhof Mitte entweder im Bau oder in Planung. Diese Entwicklung läuft, wenn ihr nicht rasch Einhalt geboten wird, auf eine Opferung des Dresdner Stadtmittelpunktes zugunsten einer herzlosen, profitorientierten touristischen Verwertung hinaus. Man kann daher nur aufatmen, dass Wirtschaftsbürgermeister Hilbert lautstark protestiert und offen fordert: „Dresden muss den Neubau weiterer Hotels verhindern.” Würde jetzt nicht die Notbremse gezogen, drohe Dresden zu einer touristischen “Ramsch-Destination” zu werden, so die Befürchtung Hilbert.

Schützenhilfe erhält der Wirtschaftsbürgermeister von Heinz Diedrichsen, dem Vorsitzenden des Tourismusvereins, der vor einer “Schlafburg” anstelle einer Innenstadt warnt – Touristen wollten das Flair der Stadt genießen, dazu gehöre, dass sie mit Dresdnern und nicht nur mit Ihresgleichen zusammenträfen. Hilbert bringt es auf den Punkt, wenn er warnt: “Ich will keine tote Innenstadt!” Ein Neumarkt, auf dem sich ein Hotel an das andere reihe, sei auch für Besucher der Stadt kaum attraktiv. Es sei notwendig, auch für alternative Konzepte zur Belebung des Platzes offen zu sein. “Deshalb bin ich auch ein Verfechter der Stiftungsidee für den Neumarkt”, so der Wirtschaftsbürgermeister. Er plädiere dafür, dass man sich intensiv mit dem Projekt einer Neumarkt-Stiftung auseinandersetze. Und das Ergebnis dieser Prüfung solle man abwarten, bevor andere Entscheidungen getroffen werden.

Ob die Pühringer-Stiftung allerdings bereit ist, weiter mit den Dresdner Stadtoberen zu diskutieren, ist fraglich. In einer Antwort auf Vogels Absage heißt es u.a.: “Ihre Absage und Aussage, das gewünschte Gespräch in echter Arbeitsatmosphäre in Dresden zu führen, hat uns sehr verwundert und zeigt uns, dass eigentlich wenig Interesse an unseren komplizierten, komplexen, aber zukunftsweisenden Strategien besteht. Auch die bisher fehlende effiziente Analyse – aus deutscher Sicht – welche Vor- und Nachteile diese Lösung gegenüber dem geplanten Verkauf der Grundstücke hat, hat gezeigt, dass politisch sicherlich der einfachere Weg begangen wird und unser Engagement letztlich nur Zeitverschwendung bedeutet.”

Immerhin gibt es Zeichen von Bemühungen, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Der Ältestenrat hat Vogel für seine mit dem Stadtrat nicht abgestimmte Absage kritisiert und aufgefordert, die Gespräche mit Pühringer weiter zu führen. Und SPD-Oberbürgermeisterkandidat Peter Lames versuchte auf seine Weise, den durch Vogel angerichteten Schaden zu beheben; er versicherte Pühringer in einem Schreiben: “Ihr Engagement für Dresden wird hier als große Ehre und Auszeichnung für die Stadt empfunden.”

One Response to “Dresden als touristische “Ramsch-Destination”?”

  1. Christian
    December 2nd, 2007 01:41
    1

    Absolute Zustimmung, Thomas. Und vergessen wir nicht: die Baywobau hat sich intensiv für den Bau eines weiteren Hotels, dem “Stadt Rom” beworben. Daneben wird sowohl das “British Hotel” in der Landhausstraße als auch möglicherweise das kürzlich verkaufte Grundstück Salzgasse/Rampische Straße eine Hotelnutzung erfahren. Völliger Irrsinn, diese hohe Hotelkonzentration in der Innenstadt - so kann kein lebendiges Innenstadtareal entstehen, wie es die quirlige Schlosstraße als Einkaufsmeile vor dem Krieg einmal gewesen sein soll.

    Mich wundert sowieso, warum die Baywobau schon so gut wie sicher den Zuschlag für das Quartier VIII hat. Wie auch beim Quartier VI frage ich mich, ob es nicht andere Bewerber gab und wieso sich die Stadt schon so früh auf die Investoren festgelegt hat. Hier könnte man wild spekulieren… Dresden hat doch nun alle Zeit der Welt und kann sich - anders als noch vor wenigen Jahren - die Investoren aussuchen und genauer unter die Lupe nehmen. Wie du richtig sagst, Thomas, sollte doch die langfristig gesicherte Qualität über schnellen Finanzerlösen unter Vernachlässigung der Qualität stehen.
    Logisch und städtebaulich am Sinnvollsten wäre doch folgende Herangehensweise: 1. Verhandlungen mit Pühringer zur Neumarktstiftung. Sollte diese scheitern 2. Ausschreibung und Auswahl der Investoren mit dem besten Konzept (Nutzung UND Qualität der Gebäude -> Dachlandschaft, Ziegelbauweise, Innenhöfe, keine Zusammenlegung von Parzellen etc.).

    So hoffe ich dieses Mal (nach vielen Enttäuschungen) auf die Vernunft des Stadtrates, dass der Verkauf des Grundstückes an die Baywobau nicht beschlossen wird - zumindest nicht mit dem derzeitig favorisierten Großhotelkonzept.

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