“Edel und zurückhaltend, auf keinen Fall extravagant”

Am 16. Dezember 2006 berichtete die Sächsische Zeitung über Vorgaben zum Wettbewerb für das Gewandhaus-Areal. Über die Vorgaben war dort zu lesen:

“Gestern hat die Gestaltungskommission Kulturhistorisches Zentrum die Prämissen gesetzt. So sollen am Wettbewerb 50 Büros, davon zehn nach Wünschen von Stadt und Bauherren teilnehmen. Die Zwingermauer und historische Gewölbe unter dem einstigen Gewandhaus müssen einbezogen und eine öffentliche Toilette eingerichtet werden. Die Traufhöhe des Gebäudes kann zwischen 14,50 und 18 Metern schwanken, die Höhe darf aber 23 Meter nicht überschreiten. Das Gebäude soll der heutigen Zeit entsprechen – edel und zurückhaltend, auf keinen Fall extravagant sein. So fasste Architekt Matthias Höhne die Ansicht der Kommission zusammen.”

Die Dresdner Neuesten Nachrichten berichteten am gleichen Tag wie folgt:

“‘Wir haben uns auf das geeinigt, was wir an dieser Stelle nicht wollen’, sagte der Dresdner Architekt Prof. Matthias Höhne. ‘Der Neubau soll nicht provokant, extravagant, dekonstruktivistisch oder schrägstehend sein, sondern sich dem nebenstehenden Johanneum (Verkehrsmuseum) unterordnen und in die anderen Bauten einpassen.’ […] Die Fassade soll profiliert und gegliedert sein wie die Gebäude in der Nachbarschaft.”

Bei den prämierten Entwürfen ist m.E. weder ein gestalterischer Wille zur Zurückhaltung noch zur Vermeidung von Extravaganzen erkennbar – im Gegenteil. Die Fassaden reagieren weder in ihrer Gliederung noch in ihrer Profilierung angemessen auf die benachbarten Bauten. Zur Verdeutlichung des Dilemmas hier zwei Abbildungen des mit dem 4. Preis ausgezeichneten Entwurfs (die erst- und zweitplatzierten Entwürfe sind im vorangehenden Beitrag abgebildet):

gw_platz4a.jpg

gw_platz4b.jpg

Die bloße Vermeidung von Dekonstruktivismen ist noch kein Ausdruck von Einordnung in den baulichen Kontext!

Die ausgezeichneten Wettbewerbsbeiträge bestechen durch ihr mehr als offensichtliches Unvermögen, sich in den Kontext der bereits bestehenden Bebauung einzufügen. Stattdessen wird in völlig unangemessener Weise die gestalterische Dominanz des Neumarkts beansprucht und die Harmonie des bisher geschaffenen Platzbildes nachhaltig zerstört.

Es scheint, als ob Dresden nach den Dauerstreitereien der letzten Monate um Waldschlösschenbrücke und Kulturpalast-Schließung den nächsten Skandal hat – es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Wogen schäumen.

Bildnachweis: meck architekten, München

2 Responses to ““Edel und zurückhaltend, auf keinen Fall extravagant””

  1. Peter
    May 7th, 2007 14:17
    1

    Liebe Leute: Ihr unterschätzt, mit wem ihr es hier zu tun habt. Ihr glaubt es gäbe so etwas wie Bürgerbeteiligung und Dialog. Doch die sind eine Farce, um die Wähler ruhig zu stellen, damit die Lobbies ihre Geschäfte durchziehen können. Bürgerbeteiligung gibt es nicht - hier geht es um Geld, skrupellose Geschäftemacher wollen harte Dollars und Euros sehen. Sie interessieren sich nicht für Eure sentimalen Protestchen.(auch nicht für meine).

    Mein Tipp: Beschäftigt Euch nicht mit Architektur, beschäftigt Euch mit Lobbyismus.
    Ihr habt es hier mit einer Bau-Mafia zu tun, mit einer Milliardenschweren Lobby die Euch wegpustet und über Euch Nostalgiker kaputtlacht. Ihr wollt mit denen sachlich diskutieren? Ihr könntet genau so gut versuchen, künftig Eure Wohnung nicht mehr abzuschliessen und den Einbrecher mit sachlichen Diskussionen zum zurückstellen des geklauten Tafelsiblers zu überreden. Bitte, lieber Verbrecher, sei doch so gut…..der Dieb lacht sich tot. Die Baumafia ist übrigens wesentlich schlimmer als ein kleiner Verbrecher. Das ist übrigens der Preis des Kapitalismus.

    Bitte verabschiedet Euch von dem Gedanken, mit lieben Worten und Euphemismen eine Lobby davon abzubringen, ihre Milliardengschäfte durchzuziehen. Im Moment lachen die nur über Euch, und wenn ihr ihnen wirklich in die Quere kommt, pusten sie Euch weg, schneller als ihr kucken könnt.

    Ich war nie Sozialist, und möchte auch keine DDR wiederhaben. Aber seit ich mich mit der Rolle der Lobbies in Deutschland beschäftigt habe - Diktatur pur - werden mir die falaten Nebeneffekte klar. Sie waren mir vorher schon klar, aber seit Dresden müssten sie auch dem Blinden auffallen.

  2. prat
    May 7th, 2007 17:48
    2

    Es ist wirklich erschütternd, daß selbst an solch herausragendem Ort immer nur dieselben groben Kästen mit den immer selben simplen Formen und Materialien (Beton und Glas) entworfen werden, selbstverständlich garniert mit Lobeshymnen, die den Tatbestand der Realsatire erfüllen.

    Wenn schon diese Fläche bebaut werden soll, weshalb dann nicht eine reich gegliederte Putzfassade entwerfen, mit einer abwechslungsreichen Dachlandschaft, mit genau aufeinander abgestimmten Farben und Ornamenten? Stattdessen eine betongraue Schuhschachtel mit Flachdach und einigen schiefen Wänden - schließlich fühlt man sich ja irgendwie auch als “Künstler”.

    Dieses Gebäude wird das gesamte Neumarktprojekt zum Scheitern bringen, zumal es ja die Rekonstruktion der eigentlich vorgesehenen schönen alten Häuser in dieser Ecke des Platzes unmöglich macht. Wahrscheinlich haben viele Architekten einfach Angst, daß sich die Bevölkerung angesichts eines weitgehend rekonstruierten Neumarkts die Frage stellt, weshalb dieses Entwicklungsmodell kritischer Rekonstruktion nicht flächendeckend verwendet wird - daher muß der Neumarkt durch solche Bauten wohl wieder auf bundesdeutsches mittelmäßiges Mischmasch herabgezogen werden.

    Meine Sofortmaßnahme bestand darin, für einen Flyer gegen das neue Gewandhaus zu spenden. Allerdings bin ich skeptisch, ob all diese Aktionen etwas bringen - vielleicht wird einer der etwas gemäßigteren Entwürfe realisiert, wenn der jetzt vorgesehene Entwurf verhindert werden kann. Das ist dann aber immer noch eine Katastrophe für den Neumarkt…

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