Häuserkampf am Neumarkt

“Häuserkampf” könnte man das nennen, was sich in Dresden in regelmäßigen Abständen ereignet, wenn um noch nicht realisierte Häuser am Neumarkt gerungen wird: Zu modern, zu traditionell, zu unauthentisch, zu kalt und zu glatt – lang ist die Liste der Vorbehalte, die im Kampf zwischen moderner und traditioneller Fassadengestaltung von den jeweiligen Gegnern vorgetragen werden. Gekämpft wird zurzeit auch um das Quartier V/2, wo sich – wir erinnern uns – ein moderner, ovaler Anbau mit Staffelgeschoss an das rekonstruierte Heinrich-Schütz-Haus anfügen soll.

Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden hat nun einen Kompromissvorschlag ausarbeiten lassen, der versucht, beide Wunschvorstellungen – die Realisierung von Staffelgeschossen einerseits und die Wahrung eines einheitlichen Fassadenbildes zum Neumarkt hin andererseits – miteinander zu versöhnen:

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Bildnachweis: Andreas Hummel / Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden

9 Responses to “Häuserkampf am Neumarkt”

  1. Jochen
    November 2nd, 2006 18:55
    1

    Ja, es ist wieder ein Kampf. Und ich weiß auch schon, wie er wieder ausgeht. Mit den “Ruhestörern” von der GHND spricht man ja gar nicht mehr. Braucht man ja auch nicht.Die Verantwortung trägt auch nicht Herr Feßenmayr und seine Kohorten aus Politik und Verwaltung, sondern scheinbar ausschließlich der Investor. Gestaltungssatzung ? Was ist das denn ? Da wird Dresden bei der Umfrage des Allensbach-Institutes zur Pflege des historischen Stadtbildes bei den Befragten auf den 1. Platz gehoben. Die Antworten zum Wert eines historischen Stadtbildes sind bei den Befragten eindeutig. Was geht das aber die Verantwortlichen der Stadt an ? Sie sind im Besitz der “vollen Wahrheit”. Wo kämen wir hin, wenn wir auf die Wünsche und Befindlichkeiten der “Fußvolks” Rücksicht nehmen wollten ? Was immer wieder verdrießt, ist die Art, wie die “Scheußlichkeiten” in der Stadt zustande kommen. Hinterher ist keiner glücklich und keiner will es letztendlich gewesen sein. Man könnte heulen.

  2. juweb
    November 2nd, 2006 19:10
    2

    Eigentlich hatte ich den folgenden, rasch geschriebenen Beitrag ins Gästebuch von neumarkt-online.de geschrieben. Dort ist es aber bisher nicht freigeschaltet worden. Nun soll meine Meinung nicht vergammeln in der Warteschleife eines Administrators oder Prüfers (!?), sondern gelesen werden. Deshalb hier, wo die Sache auch diskutiert wird, meine gesicherte Kopie mit einigen kleinen orth./gramm. Berichtigungen, da ich nochmal drüberlesen konnte. PS: Ich erwarte, dass er bei der GHND auch noch geschaltet wird.

    Ich bin entsetzt über die Vorschläge der Gesell. Hist. Neumarkt DD zum Quartier V-2 Schützhaus/Köhlersches Haus.

    Wenn dieser Hybrid aus halber historisierender und gestufter moderner Dachform auch nur einen Deut besser sein soll als die geplante Dachform, dann entlarvt dieser Entwurf das architektonische Verständnis der Erschaffer und Befürworter vollkommen, nämlich als nicht vorhanden. Da paßt vorn und hinten (bzw. die Seite) noch weniger zusammen als im QF innen und aussen.
    Das was sie vorschlagen ist mieseste Fassaden- ja Kulissenarchitektur, die nicht besser ist als die „Baukunst“ im Wilden Westen, wo jede Bretterbude von Saloon zur Flanierstrasse mit einer großen Schaukulisse aufgemotz wurde und zum Hinterhof nicht anderes als Baracken waren. Diese Baukultur ist in den Malls und Gewerbegebieten Amerikas, aber auch schon Europas fortgesetzt worden. Dass sie sich dieses Niveau mit historisierenden Fassaden an den Neumarkt wünschen, und sogar selbst vorschlagen, wie sie einen in sich schlüssigen, ja vollkommen konsequenten Bau zur Schauseite, historisch aufzumotzen wollen ist so jämmerlich, dass es jeden halbwegs mit architektonischen Sinn versehenem Betrachter auffallen muss. Achten sie doch nur mal auf den Grat am Zusammenstoss der beiden Dachformen. Dies gezackte, verwinkelte Unform erinnert mich an die Notreperatur eines zur hälfte gesprengten Hauses, das notdürftig geflickt wurde. Auch sie müssen das doch sehen!

    Aber nein, diesen willenlosen Chrash von alt und neu können sie sich vorstellen, ja sie schlagen ihn in genau dieser Form sogar vor.

    An sich finde ich das Überarbeiten von Entwürfen durch Fremde gegenüber Bauherren und Architekten schon eine fragwürdige Praxis, aber gut als Diskussionsgrundlage mag es dienen. Frech finde ich dagegen schon fast die versteckte Andeutung „Gerade städtische Grundstücke sollten im Sinne der Bürger verwaltet werden, denn schließlich ist es Aufgabe der Stadt bzw. ihrer Organe, die Interessen ihrer Bürger zu vertreten. Nimmt die Stadt die Interessen ihrer Bürger nicht wahr, so sollten sie entsprechende Widerstände in der Bevölkerung nicht überraschen.“ - hoppla - die Bevölkerung. Zu der zähle ich auch und ich fordere sie auf, sich nicht anzumaßen, für „die Bevölkerung“ zu sprechen! Es gibt hier ja gar nicht wenige Dresdener, die sich eine Dresden mit Bauzeugnissen des 21. Jh. vorstellen können, die nicht zwanghaft aussehen müssen wie CNC-gefräste 1:1 Modelle nicht fehlerfrei rekonstruierter Barockbauten. Dresden ist auch ein Ort der Moderne!

    Das es Ihnen weder um architektonische noch um historische Qualität der künftigen Neumarkt-Bebauung geht, sondern nur um historisierende Anmutung, zeigt dieser Entwurf als entlarvender Schuss ins Knie. Es muss jetzt auffallen, und ich glaube, dass wenn jemand offen hinschaut er es auch sieht, dass der orginale Entwurf der bessere, vor allem viel ehrlichere ist.

    Sie betonen ja dessen Qualität nur noch, nämlich sein deutliches abgrenze von zwei Häusern.
    Aber erschrecken ist eben Ihr veröffentlichtes Bekunden, dass Ihnen eine Andeutung von historierender Fassade reicht und scheinen ernsthaft zu glauben, einen akzeptablen Architektonischen Vorschlag zu unterbreiten.

    Wenn das in der Kunststadt Dresden so durchgeht, ja der künstlerische Nerv der Dresdner nicht über Gebühr durch solch eine gräßlichen Entwurf gereizt wird, dann soll Dresden ruhig weiter von der Kunst- zur künstlichen Stadt werden. Raum für die Baukunst, die Architektur als eine aktuelle Kunst scheint hier nicht zu sein, auf gar keine Fall jedenfalls in Sichtweite der Frauenkirche und mit einer Gestalt, die schon in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Kaiser-wieder-haben-woller verschreckte.
    (Erstaunlicherweise schaffte es die Idee von Staffelgeschoss in Dresden trotzdem schon vor 84 Jahren Fuss zu fassen, sogar in der Nähe des Zwingers und heute völlig akzeptiert. Noch besser, sogar als Beispiel einer gelungenen Kombination mit einem Ziegeldach… am Stadthaus.

    Verstehen sie mich nicht falsch. Wo historische Vorbilder rekonstuierbar sind und nach den gelungen Vorbild der Frauenkirche und den daraus für mich resultierenden Qualitätsansprüchen an Architektur am Neumarkt umsetzbar sind, da finde ich es richtig das zu tun. Die Rekonstuktion (und immer auch Interpretation) der Stadtgrundrisse ist richtig, die alte Urbanität, der Wechsel von Enge und Platz fehlt Dresdens Altstadt und wird toll. Die unbedingte Rehistorisierung der Fassaden muss aber in der Realität des 21. Jh. zum Disneyland mutieren, dass wird bei Erlicher Betrachtung des QF (Quartier Frauenkirche) schon deutlich. Den die Gebäude sind immer nach heutigen Innenraumansprüchen gebaut. Fassaden und Innenraum sind nicht eins, das aber wäre eine Qualität von guter Architektur. So werden Geschosse gestreckt etc.! Form und Material/Verfahren streiten, die Fassaden versprühen statt altem Flair den von absolut gerader Industriefertigung, nicht wie die Frauenkirche den handwerklicher Baukunst. Lernen wir alle besser Architektur sehen, werden wir realistischer, akzeptieren wir die Zeit in der wir leben, und das das Geschehene in der Stadt spuren hinterläßt, dass Architektur ohne Investor und Nutzung nicht als Kulisse umgibt, dann werden wir auch nachfolgende Generationen mit eigenen Bauwerken als Ausdruck unserer Erkenntnisse bereichern können. In diesem Sinne halte ich den Entwurf so wie er vom Architekten und Bauherren vorgesehen ist durchaus für einen guten Kompromis aus wiederherstellung von Altem und vermittelndem Neubau zwischen rekonstruiertem Neumarkt und Nachkriegszeit repräsentierender Wilsdruffer.
    Die nutzbaren Dachterrassen sind für die Nutzung als Seniorenressidenz ein unverzichtbarer Freeraum!

    Also, ich befürworte ganz klar als Dresdner das dort an platzabgewandter Stelle ein modern anmutender Baukörper entstehen kann! Vor allem ohne architektonisch laienhafte und grauenhafte Mansarddachfragmente!

    M.f.G. U. Buchholz

  3. silesianospostato
    November 3rd, 2006 20:09
    3

    Jo - stimmt schon. Bitte keine Kulissen und kein Disneyland. Stattdessen lieber was zeitgemäßes und authentisches. Zum Beispiel einen Betonkubus oder einen Glasklotz. Oder auch einen Glaskubus oder einen Betonklotz. Wenn wir dann alle fertig sind, kommt so etwas tolles wie meine Heimatstadt Stuttgart dabei heraus. Wir gehen jetzt alle in die Sehschule, lassen und von zwangskreativen, steuersubventionierten, rollkragenpullovertragenden Volvo-Fahrern ästhetisch umerziehen und finden das dann ganz super. Eine nackte Betonwand! Dieser brillante Einfall! Und echt erst 120.000 Mal umgesetzt! Vor allem müssen wir auch weiterhin 99 % unserer Zeit für kluge Reden und 1 % für gutes Gestalten aufwenden. Danke auch dafür.

  4. Jochen
    November 3rd, 2006 21:17
    4

    @silesianospostato: Mein Lieber, genau so ist es. Du hattest bei der Beschreibung unserer “Künstler” vergessen, daß sie schwarzgewandet, mit halber Brille und Dreitagebart daherschreiten. Und, wie es Prof. Kulka, Köln/Dresden zu trefflich beim Kolloquium der Akademie kürzlich formulieren konnte, Qualitätsarchitektur nur entstehen kann, wenn niemand störend eingreift. Das hätten sie zu gerne. Dabei haben sie doch sowieso die Deutungshoheit über Schönheit, Stil und Qualität.

  5. Jochen
    November 3rd, 2006 22:16
    5

    @ juweb:Oh Mann oh Mann, da hast Du aber mal “die Sau rausgelassen”. Als Nichtdresdner, aber inzwischen Kenner der Abläufe in Deiner Stadt, kann ich Dir versichern, daß Du dich wieder abregen kannst. Die GHND wollte mit ihrem Vorschlag doch “nur” mal zeigen, wie schön es sein könnte, wenn Harmonie das Bestreben aller am Neumarkt Beteiligten wäre. Es wird so nicht kommen. “Der Kohl ist längst gegessen” wie wir hier sagen. Du kannst Dich also auf die Dachterrasse für die Bewohner freuen und realistisch die Architektur der heutigen Zeit akzeptieren. Ich frage mich nur, ob “betuchte” Bewohner der Seniorenresidenz so nah die “toskanischen” Laubengänge der Rückseite des Schmuckkästchens zur Wilsdruffer Str. haben wollen. Deine Meinung in allen Ehren, ich will mich, obwohl ohnmächtig, nicht mit den “Schönheiten” der Neuzeit abfinden.

  6. vitruv
    November 5th, 2006 15:23
    6

    @juweb
    Dein aufbrausender Beitrag lässt einige Missverständnisse erkennen und ist der eigentliche “Schuss ins Knie”. Dieser Vorschlag soll nicht der Weisheit letzter Schluss sein, sondern ein Kompromiss. Dass dies “Kulissenarchitektur” sein soll, ist völliger Unsinn, denn hinter der EINEN Fassade verbirgt sich EIN Haus. Ausserdem ist die “Schaukulisse” kein Stück historisierend, sondern im Rahmen der Gestaltungssatzung, d.h. eine Putzfassade mit Mansarddach. Eine solche Architektur gefällt dir ja leider nicht, weil sie dir nicht modisch/modern genug ist, sondern viel zu zeitlos/altmodisch. Und sowas ist deiner Meinung nach wohl nur eine Geschmacksverirrung von grauhaarigen Menschen mit Monarchensehnsucht.
    Meiner Meinung nach sind Putzfassaden jedenfalls durchweg ins 21. Jahrhundert passend, es sei denn man unterwirft sich einem oberflächlichen Zeitgeist, der immer auf sensationelle Neuheiten brennt.

  7. Pulcinello
    November 6th, 2006 01:31
    7

    Wieder mal Streit, wieder mal sehr unproduktiv. Wieder mal nur Häme, meine Herren (vielleicht auch Damen).
    Dabei war in den Beiträgen doch auch viel Bedenkenswertes. Bedenkenswert finde ich den Gedanken, dass speziell das Mansarddach eine kleine, aber doch geachtete Dresdner Tradition hat. Das Stadthaus hat erfreulicherweise den Krieg überlebt. Ich habe schon einmal angeregt, aus dem bereits Gebauten am Neumarkt nun eine Tugend zu entwickeln und diese Dachform zu einer echt dresdnerischen zu entwickeln. Mit dem neuen, nicht mit einem wirklich bloß kaschierenden Architekturbeitrag der GHND, treppigen Mansarddach sind es derer schon vier in der Innenstadt. Warum nicht noch zwei, drei mehr? Warum nicht wieder aus Glas, aus Glas wie die Zitronenpresse oder das Gebäude an der Töpferstraße, die des nachts ausstrahlen und nicht nur angestrahlt werden?
    Ich glaube, dass gelungene Platzarchitekturen entweder durch ihre totale Einheit der einzelnen Bauten beeindrucken oder durch ihren Rhythmus von Wiedererkennbarem. Die totale Diversität strengt meistens an. So gesehen sollte man aus dem nun bald Vorhandenen einen Rhythmus für den Platz ableiten. Die neuen Altbauten, die ja fast alle aus der Barockzeit stammen, geben ihren Rhyhtmus vor. Das neue ist bisher noch Einzelton, es fehlt an Akkorden. Es wäre den Architekten zu raten, sich nun zu wiederholen, einander zu zitieren, sichtbar anzuspielen, so dass unsere Zeit sich harmonisch einbringt. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass das geplante, sanft gerundete Gebäude in seiner ursprünglichen Planung gelingt, dass man noch ein paar weitere Treppen baut.
    Und nun bitte, schlagt mich.

  8. mannschu
    November 6th, 2006 18:03
    8

    Was soll denn nun dieser Beitrag von der mir geschätzten GHND? Soll das ein Witz sein oder ist es Ernst? Leider kann man dazu nichts lesen und sich entsprechend nur über einen solchen “Zwitter” wundern. Schade!

    @Pulcinello

    Klingt doch gut!

  9. Steffen
    November 9th, 2006 04:45
    9

    Mhm. Ehrlich gesagt gefallen mir die Vorschläge. Die Computergrafiken sind natürlich sehr idealisierend, mit tollem Schatten und geschwungenen Häuserkantem, fast wie Hundertwasser.

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