Archive for the Category 'Neumarkt'

FDP startet Bürgerbegehren gegen Gewandhaus-Neubau

Thursday, November 01st, 2007 2:24pm

Mit einem leidenschaftlichen Aufruf hat die Dresdner FDP ein Bürgerbegehren zur Verhinderung eines modern gestalteten Gewandhauses am Neumarkt gestartet.

Hier der Wortlaut des Aufrufs, der unter der eigens für das Bürgerbegehren kreierten Website www.barock-statt-beton.de im Original nachzulesen ist:

“Das Herz unserer Stadt blutet. Das Herz unserer Stadt wurde verwüstet und bis auf die Grundmauern zerstört und steht heute wieder vor einem zarten Aufwuchs. Rund um unsere mächtige Frauenkirche entsteht wieder ein Platz, ein Ort, den wir alle in unseren Herzen tragen und den wir weiter hegen und pflegen. Wir alle, alt wie jung, spüren diese Unvergleichkeit und makellose Schönheit, die das Herz unserer Stadt für uns alle wieder öffnet. Der historische Wiederaufbau unseres Neumarktes ist eines unserer wichtigsten Anliegen. Es ist uns bis heute geradezu beispielhaft gelungen. Unseren Neumarkt als sinnstiftenden Ort, als Zentrum unserer Heimatstadt weiter in diesem historischen Flair zu entwickeln, ist das Gebot der Stunde.

Erheben Sie mit uns Ihre Stimme für den wahren Dresdner Neumarkt. Lassen Sie nicht zu, dass der Gewandhausplatz mit einem modernen Bauwerk verunstaltet wird und die noch frischen Wunden im Herzen unserer Stadt neu aufgerissen werden. Kämpfen Sie mit uns gegen die Arroganz dieser modernen Architektur, kämpfen Sie mit uns für unser historisches Zentrum, damit unser Neumarkt als das Herz unserer Stadt wieder auch in unser aller Herzen einzieht. Schließen Sie sich uns an und unterschreiben Sie mit für die Freiheit dieses Platzes, frei von jeglicher Bebauung, frei für uns als die Bürgerinnen und Bürger Dresdens.”

Der nachfolgend visualisierte Entwurf aus der Feder des Architektenehepaares Cheret & Bozic (Stuttgart) soll noch in diesem Monat durch ein begehbares Raumgerüst im Maßstab 1:1 im Kontext der bereits bestehenden Neumarkt-Bebauung visualisiert werden, um den Prozess der Meinungsbildung zu unterstützen.

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Bildnachweis: Cheret & Bozic (Stuttgart)

Neumarkt-Gesellschaft wartet mit Alternativ-Konzept auf

Sunday, June 03rd, 2007 4:03pm

Mit einem äußerst geschickten Schachzug geht die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND) in die Offensive und präsentiert ein eigenes Konzept zur Lösung des Konflikts um Bebauung oder Nichtbebauung des Gewandhaus-Areals:

Die von der Stadtplanung vorgesehene Wiederherstellung der durch das Alte Gewandhaus bis 1791 vorgegebenen Platzkante wird durch die Anpflanzung einer Reihe von neun Bäumen bewerkstelligt, verbunden mit der Sichtbarmachung von Teilen der alten Stadtbefestigung. Damit wird zwei wesentlichen Anliegen der Stadtplanung entsprochen, ohne die Fläche jedoch tatsächlich zu bebauen. Das Ergebnis ist, wie die Visualisierungen von Architekt Andreas Hummel belegen, ein Platz von geradezu betörender Harmonie und städtebaulicher Perfektion. Warum die Stadtplanung und sogar der ehemalige Landeskonservator Gerhard Glaser die Wiederherstellung der Baufluchten von 1791 als städtebauliche Notwendigkeit geradezu beschwören, bleibt insbesondere beim Anblick der simulierten Vogelperspektive mehr als fraglich:

Luftbild.jpg

Luftbild-Platzhalter.jpg

Die Baumasse eines “neuen” Gewandhauses würde, ganz gleich wie gestaltet, durch seine exponierte Lage den Platz dominieren und in Konkurrenz zur Frauenkirche treten, der Neumarkt würde massiv verengt.

Darüber hinaus würden eine Reihe von für die Wirkung des Platzes wichtigen Blickbeziehungen durch den Neubau verloren gehen, z.B. würde beim Blick aus der Moritzgasse das Johanneum (Verkehrsmuseum) nahezu vollständig verdeckt:

Moritzstr1.jpg

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Aus der Augustusstraße blickend würde wiederum das Hotel Stadt Rom (geplant) teilweise und das Heinrich-Schütz-Haus mit seinem markanten Runderker (im Bau) vollständig verdeckt:

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Der von dem Dinglingerhaus als Leitbau (Mitte) sowie dem Johanneum maßgeblich geprägte Jüdenhof würde vom Platz abrücken und könnte nur noch eingeschränkt in diesen hineinwirken:

Juedenhof.jpg

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[Anmerkung: Der völlig ungestaltete und damit besonders unansehliche “Platzhalter” ist in diesen Visualisierungen sicherlich nicht in polemischer Absicht, sondern aus Gründen des Urheberschutzrechts eingearbeitet worden. Zur Verdeutlichung der komplexen räumlichen Zusammenhänge am Neumarkt dürfte er allerdings ausreichend sein.]

Auf http://www.neumarkt-dresden.de/bilder-terrasse.html können diese und weitere Visualisierungen in hoher Auflösung zu privaten Zwecken heruntergeladen werden.

Ein Kommentar zum Gewandhaus-Neubau

Saturday, June 02nd, 2007 4:32pm

gw_platz1.jpg

Bild oben: prämierter Entwurf von Cheret & Bozic für eine moderne Bebauung der Fläche des Alten Gewandhauses

Bild unten: Visualisierung eines nach dem Vorbild des Vorkriegszustands bebauten Neumarktes (Quelle: Andreas Hummel)

Westseite.jpg

Ich halte das Architekturverständnis der Moderne für ungeeignet, um zu einer angemessenen Antwort auf die Fragen zu finden, die sich derzeit am Neumarkt – insbesondere auf dem Areal des ehemaligen Gewandhauses – auftun. Bedenken wir: Moderne Architektur greift im Kontext des großstädtischen deutschen Städtebaus seit 1945 – also seit über 60 Jahren – im wesentlichen auf jene Gestaltungsformen zurück, die der Tradition des Bauhauses entstammen. Der historische Formenkanon ist in der “Fachwelt” seit Jahrzehnten geächtet und in die Ecke des Kitsch (Stichwort “Disneyland”) gedrängt; dem historischen Erbe verpflichtete Gestaltungsformen sind – jedenfalls im Bereich der Architektur – nach wie vor in weiten Teilen Deutschlands dazu verdammt, ein klägliches Schattendasein im Bereich der Denkmalpflege zu fristen. Es legt sich aufgrund der Reduziertheit moderner architektonischer Ausdrucksformen daher von selbst nahe, dass die Sichtweisen und Beurteilungskriterien der “Fachwelt”, die sich nach wie vor überwiegend dem Erbe des Bauhauses verpflichtet fühlt, am Neumarkt nur sehr begrenzt – wenn überhaupt – anwendungsfähig sind.

Es ist daher irrig zu behaupten, dass der Neumarkt eine moderne Kunsthalle “braucht”. Dass der Neumarkt ein dezidiert modern gestaltetes Gebäude “braucht”, das als solches die bisherige gestalterische Melodie des Platzes lautstark durchbricht, mag einleuchten, wenn es darum geht, “moderne” Architektur im Sinne eines fortgesetzten Bruchs mit der Tradition zu kreieren. Bedenken wir jedoch, dass die Zeit der Bauhaus-Revolution, als es in der Tat “Mut” kostete, Neues zu wagen und Alternativen zu den traditionellen Bauformen zu finden, längst vergangen ist. Bombenkrieg und Nachkriegsbaupolitik haben die historischen Antlitze unserer Städte vergehen lassen; nun wäre ein umgekehrter Aufbruch erforderlich: Mut, sich zur Geschichte zu bekennen; Mut, den Reichtum traditioneller Bauformen neu zu entdecken (das muss nicht per se Rekonstruktion bedeuten!); Mut, die dogmatische Festgefahrenheit des gegenwärtigen Bauens zu durchbrechen. Es ist darum kein Zeichen von Mut, den Neumarkt mit einem modernen Solitär á la Gewandhaus aufzusprengen – es ist vielmehr ein Schritt der Angst: Angst vor dem Spott und der Häme der “Fachwelt”, die sich mit derselben Vehemenz gegen die Rückbesinnung auf die Tradition wehrt wie seinerzeit die Tradition gegen die Avantgarde.

Der Neumarkt ist daher der falsche Ort, um eine Revolution neu zu inszenieren, die seit über 80 Jahren Geschichte ist. Es kann am Neumarkt weder um die Bewahrung einer modernen Architekturdogmatik noch um die Befriedigung von Fachgremien oder die Beruhigung von Architekturkritikern geht. Es geht im Übrigen auch nicht um den Tourismus, zu dessen Belebung die historische Kulisse Dresdens im Sinne des viel gescholtenen “Disneylands” ausgebaut werden soll, nein: Es geht um nicht mehr und nicht weniger als eine Suche vieler Dresdner und Freunde Dresdens nach Identität.

Es gibt ein starkes Bedürfnis, sich mit seiner Stadt zu identifizieren, und viele Menschen spüren, dass das gegenwärtige Stadtbild Dresdens – aller bisherigen Stadtreparatur zum Trotz – den Reichtum der 800jährigen Geschichte dieser Stadt nicht annähernd wiedergibt. Dass in den letzten Jahren im Umfeld der Frauenkirche das historische Stadtbild – bereichert durch hochwertige, kleinteilige (!) zeitgenössische Architektur – wieder erfahrbar wird, ist im Angesicht eines in weiten Teilen modern gestalteten Zentrums für viele Dresdner und Freunde Dresdens eine geradezu körperlich spürbare Wohltat. Auf diesem Hintergrund ist es verständlich, dass viele Dresdner – mich eingeschlossen – nicht hinnehmen wollen, dass – nachdem die Mehrzahl der zentralen Plätze Dresdens (Postplatz, Wiener Platz, Pirnaischer Platz, Georgplatz u.a.) ein dezidiert modernes Antlitz tragen – auch der Neumarkt ein von der Moderne wesentlich mitbestimmter Ort werden soll. Neben dem Theaterplatz ist der Neumarkt derzeit der einzige (!) Platz in der inneren Altstadt, der einen Eindruck von dem zu vermitteln vermag, was Dresden vor 1945 ausgemacht hat. Diese Chance, ein kostbares Stück verlorener Identität wiederzugewinnen – und das hat nichts mit „Nostalgie“ oder gar „Geschichtsklitterei“ zu tun – mögen wir uns bitte nicht entgehen lassen.

Thomas Filip, im Juni 2007

Möglichkeiten der Meinungsäußerung

Friday, June 01st, 2007 9:46am

Bewohner und Freunde Dresdens haben am heutigen Freitag, den 1. Juni, ab 18.00 Uhr die Möglichkeit, sich im Festsaal des Dresdner Stadtmuseums (Landhaus) in einer von der Dresdner CDU-Stadtratsfraktion organisierten öffentlichen Diskussion zur Neubebauung des ehemaligen Gewandhaus-Areals zu äußern.

CDU-Fraktionschef Michael Grötsch schreibt dazu auf der Homepage seiner Fraktion:

“Nach den beiden öffentlichen Diskussionsveranstaltungen in der vergangenen Woche erreichten uns eine Vielzahl von E-Mails und Briefe zum möglichen Neubau des Gewandhauses im Herzen unserer Stadt.

Ich hatte am Freitag vom Podium die Teilnehmer gebeten, uns ihre Bedenken und Hinweise zu schicken. Vielen Dank, dass Sie davon so zahlreich Gebrauch gemacht haben!

Die geäußerten Hinweise und Bedenken dazu nehmen wir sehr ernst. Zugleich freuen wir uns über das Engagement und den Einsatz für unsere Stadt Dresden und den maßgeblich durch die CDU-Fraktion mit beschlossenen und unterstützten Wideraufbau des Neumarktes nach historischem Vorbild.

Natürlich ist uns als Dresdnerinnen und Dresdner auch Toleranz und Achtung wichtig, dass den beteiligten Architekten und der Jury entgegengebracht werden sollte.

Die CDU-Fraktion ist die stärkste politische Kraft im Dresdner Stadtrat. Aus diesem Grund wollen wir erst mit Ihnen diskutieren, bevor wir uns abschließend entscheiden.”

Darüber hinaus bietet der Betreiber des “Dresden-Lexikons”, Herr Siegmar Baumgärtel, auf seiner Homepage die Möglichkeit, sich an einer Online-Umfrage zu dem Thema zu äußern. Herr Baumgärtel beabsichtigt, die Ergebnisse dieser – im übrigen sehr differenzierten – Umfrage bei ausreichender Beteiligung den zuständigen politischen Organen zukommen zu lassen. Hier geht es zum Fragebogen.