Neues Bauen in Dresden: Impressionen zum Jahreswechsel

Nach langer Pause möchte ich den Jahreswechsel nutzen, um einige ausgewählte Blicke auf das aktuelle innerstädtische Baugeschehen in Dresden zu werfen.

Gerade weil fast alle der im Verlauf des letzten Jahres in diesem Blog berichteten Bauprojekte sich im Bereich der Altstadt befinden, beginne ich heute zur Abwechslung einmal auf der Neustädter Seite. Dort ist eine bedeutsame Baulücke geschlossen worden, die das von barocker Originalsubstanz dominierte Areal um die Dreikönigskirche zwischen Hauptstraße und Königstraße deutlich aufwertet.

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Wo noch vor zwei Jahren Müllcontainer und parkende Autos einen ernüchternden Kontrast zum ansonsten gehobenen Ambiente der Königstraße bildeten, ist in der Zwischenzeit das “Hotel Bülow Palais” entstanden.
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Mit bemerkenswerter Selbstverständlichkeit nimmt der als Stahlbetonbau errichtete Komplex seinen Platz im Ensemble der historischen Barockgebäude ein. Selbst die für den Barock typischen illusionistischen Wandmalereien fehlen nicht, wie an den beiden mittleren Fensterachsen im oberen Bild (wohl erst auf den zweiten Blick) zu erkennen ist.
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Bis auf den teilweise noch unverkleideten Sockel weist kaum etwas auf die Tatsache hin, dass es sich hier um einen Neubau handelt.
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Besonders erfreulich an diesem Projekt wiegt der Umstand, dass es ohne die berüchtigten Dresdner Streitereien und Rangeleien zwischen Architektengremien, Gestaltungskommissionen, Baubürgermeistern und Bürgerinitiativen zustande kam. Mehr davon!

Am Neumarkt ist in der Zwischenzeit auch die “Heinrich-Schütz-Residenz” fertiggestellt worden, die als Seniorenheim der Extraklasse betrieben und derzeit vermietet wird.
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Die Rekonstruktionen des ehemaligen Wohnhauses von Heinrich Schütz sowie des sog. Köhlerschen Hauses gehören zu dem – vor allem in bildhauerischer Hinsicht – bemerkenswertesten, was bisher am Neumarkt geschaffen wurde. Höhepunkt dieser Leistung ist fraglos der runde Erker des Schütz-Hauses, in den geborgene Original-Fragmente integriert wurden.
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Kaum weniger beeindruckend fällt der plastische Schmuck des benachbarten Köhlerschen Hauses aus:
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Der moderne Anbau des Schütz-Hauses präsentiert sich als elegant geschwungener Baukörper und stellt aus meiner Sicht den wohl am stärksten gelungenen Akzent der Moderne am Neumarkt dar.
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Am östlichen Rand des Neumarkt-Gebiets, zwischen Polizeipräsidium und Albertinum, ist das Kurländer Palais mittlerweile äußerlich fertiggestellt:
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Kaum vorstellbar, dass es sich bei diesem Bau noch vor knapp zwei Jahren um eine Kriegsruine handelte: Der Bombenkrieg und der darauffolgende, mehr als 6 Jahrzehnte währende Verfall hatten kaum mehr als die Giebelseite und einige Mauerreste übrig gelassen.

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Schlendert man vom Kurländer Palais in Richtung Frauenkirche, fällt das Bauprojekt der Innside Hotel GmbH ins Auge, die in der Rampischen Straße einen umstrittenen Hotelkomplex errichtet, der die ehemaligen Parzellen Rampische Straße 9 bis 21 umfasst. Das untere Bild zeigt das Stahlbetonskelett der Rampischen Straße 9, das mit Ziegelmauerwerk ausgefacht wird:
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Während der vom Architekturbüro Woerner & Partner gelieferte Entwurf die Rekonstruktion der Fassaden 9 und 19 nach barockem Vorbild vorsieht, werden die Numern 11 bis 17 zu einem durchgehenden, modern gestalteten Komplex mit nur sechs Fensterachsen zusammengefasst:

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Die Gesellschaft Historischer Neumarkt, die in unmittelbarer Nachbarschaft ihr eigenes Rekonstruktionsprojekt verfolgt – mittlerweile ist das Erdgeschoss im Rohbau fertiggestellt (s.u.) – merkt dazu kritisch an: “Sowohl durch übergroße Stockwerkshöhen als auch durch das bewußte Nichtbeachten der historischen Fenstermaße (sechs überbreite Öffnungen statt ehemals 14 schmale Fenster!) wird die wichtige Kleinteiligkeit der Rampischen Straße völlig zerstört. Dieser fehlende Bezug zur historischen Maßstäblichkeit wertet die gesamte bisherige Wiederaufbauleistung ab.”

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Unmittelbar in das Platzbild des Neumarkts hinein wirkt die imposante, elegant abgerundete Fassade von Neumarkt 2 (Quartier III).
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Szenenwechsel: Nur wenige Hundert Meter von der Frauenkirche entfernt entfaltet sich das z.T. futuristisch anmutende Platzbild des Postplatzes, das kaum noch Bezüge zum Vorkriegszustand aufweist. Das Bild unten zeigt auf der rechten Seite den bezugsfertigen “Wilsdruffer Kubus”, links das bereits in den 90er Jahren fertiggestellte “Haus am Zwinger”, im Vordergrund Elemente der neuen Platzbeleuchtung sowie den sog. “Waterscreen”, ein dauerdefektes Wasserspiel.
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Wirkt der Wilsdruffer Kubus in der Frontalansicht sehr massiv und wuchtig, vermag das Fassadenbild bei seitlicher Betrachtung durchaus zu gefallen. Dies bewirkt v.a. das Zusammenspiel aus den zurückgesetzten Fenstern, den weit herausragenden Sohlbänken aus Naturstein sowie den deutlich sichtbaren Fugen der Natursteinverkleidung.
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Oben: Zu dem großen Kubus gesellt sich ein kleiner, schwarz verkleideter Würfel, dessen Haupteingang zur Wilsdruffer Straße hin gelegen ist. Das m.E. eher abweisend gestaltete Gebäude hat nichstetrotz schnell einen Mieter aus dem Gastronomiebereich gefunden.
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Obwohl der Wildsruffer Kubus durchaus gestalterische Qualitäten besitzt, vermag der Kontrast zwischen dem architektonischen Feuerwerk des Zwingers und der Strenge des Neubaus kaum zu überzeugen:
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Die durch das Haus am Zwinger und den fertig gestellten Wilsdruffer Kubus gebildete Gasse präsentiert sich als abgeschotteter, wenig einladender städtischer Raum.

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3 Responses to “Neues Bauen in Dresden: Impressionen zum Jahreswechsel”

  1. Bert
    January 26th, 2009 16:34
    1

    Vielen Dank für die schönen Bilder. Immer, wenn ich am Postplatz vorbeikomme, erschrecke ich über die Banalität dieses Würfels (dem Zwinger mit seinen schönen Proportionen und den wundervollen Details geht´s bestimmt genauso).

    Umso schöner die “scharfe Ecke” im Quartier 3, die Verdoppelung der Fassade ist zwar historisch nicht korrekt, aber insgesamt bin ich mit den Lösungen schon zufrieden (einzig AdF 22 hätte unbedingt seine Rundung bekommen müssen…).
    Gruß
    Bert

  2. Peter
    January 28th, 2009 06:10
    2

    Hallo Thomas, du hast Recht. Auf einigen deiner Bilder sieht der Kubus sogar fast “gut” aus. Hier zum Beispiel:

    http://www.tourdresden.de/v1/wp-content/uploads/2009/01/w-kubus2.jpg

    Die Fassade ist zum Teil gar nicht schlecht. Man hätte hier tatächlich was daraus machen können. Hätte man statt einem riesigen Klumpen das ganze auf 2, 3 mittelgrosse Häuser verteilt, hätte das sogar richtig gut ausgesehen.

    Das Problem ist aber nicht nur,
    dass das Ding einfach viel zu gross ist für diesen Platz. Die gesamte Anordnung von Gebäuden dort, dieser scheussliche Advantagriegel und dann noch der Kubus, das ist wie du selbst sagst, eine “wenig einladende” Stelle. Und das ist noch sehr euphemistisch. Ich möchte es deutlicher sagen: Die Stadtplaner haben hier gründlich versagt. Ich finde es schon traurig, dass Dresden, dass selbst jetzt noch zu retten wär, Stück für Stück mit solch einer Frankfurt-am Main Architektur vollgestopft wird.

    Man muss gar nicht überall zu einer traditionellen Architektur zurück. Es würde vollkommen ausreichen, wenn die Herren Stadtplaner einfach mal versuchten, ein Gefühl für Proportionen zu bekommen. Ein solcher Würfel ist nicht problematisch weil er zu “modern” wäre (ist er nicht), sondern weil die Dimensionen völlig verfehlt sind. Macht Euch doch mal den Spass und schaut Euch Bilder von typischen Europäischen Grossstädten an, Piccadilly Circus in London zum Beispiel. In fast allen Europäischen Hauptstädten, ausser dem schwerzerstörten Warschau, findet ihr niemals solch einen unförmigen Fehlbau in der Mitte eines zentralen Platzes. Wie gesagt, die Fassade ist zum Teil gar nicht schlecht, die würde sich tatsächlich gut einfügen in die “alte” Architektur. Aber erstens sind die Fenster auf der linken Seite (vom Postplatz aus gesehen) viel zu gross, und zweitens käme nicht mal ein Dilettant auf die Idee, hier einen “Würfel” hinzusetzen. Fassade gut, aber Gebäude einfach viel zu plump und als Teil eines städtischen Ensemble - an dieser Stelle jedenfalls - völlig ungeeignet. Es ist schade dass unseren Stadtplanern jegliches Mindesmaß an Einfühlungsvermögen fehlt , denn durch nur wenige Veränderungen hätte das Gebäude gut werden können. Einen Europäischen Platz kann man durch solche Gebäude jedenfalls nicht wiederherstellen. Schon sehr traurig, dass im Städtebau eine solch kleine Clique von Finanzhaien das sagen hat, die völlig über die Köpfer der Menschen hinweg entscheidet.

    Dass das Köhlersche Haus ein absoluter Traum ist, brauch ich ja wohl nicth zu sagen. Dieses Haus ist unheimlich schön, ein Meisterwerk. Ich bin froh über jedes Haus dsas man in Dresden rekonstruiert. Und dieses dumme “Disneyland”-Argument, wie jüngst vom ZDF wieder mal verbreitet, müssen wir uns schon lange nicht mehr gefallen lassen: Schützhaus und Köhlersches Haus sind, so wie die adF 16 + 17 und viele andere, einfach phantastisch gelungene Rekonstruktionen, und ein Laie könnte niemals sehen ob dies “echt” ist oder “nur” rekonstruiert. Und da in viele der Häuser Originalteile eingebaut sind, ist das Beweis dass der Vergleich zwischen Dresden und einem Amerikanischen Freizeitpark wirklcih mehr als absurd ist. Dass Dietze seine Häuser mit Betonplatten innen gebaut hat, find ich auch nicht so toll. Anderseits, solange ein Grossteil der Häuser korrekt rekonstruiert wird, find ich es akzeptbabel wenn ein paar eben keine Komplettrekonstruktionen sind. Das Gesamtbild entscheidet, und bisher ist der Neumarkt besser geworden als ich , ehrlich gesagt, mir erträumt hätte. Wenn nun das Cherethaus (ein “Gewandhaus” ist es ja nicht) entgültig verhindert werden kann (was ich vermute), ist der Neumarkt gerettet - und Dresden hätte eins der schönsten historischen Stadtzentren zurückbekommen. Wenn nicht DAS schönste….

    Gruss

    Peter

  3. Lindner J.
    March 14th, 2009 20:58
    3

    Hotel Bülow Palais:
    Endlich mal ein Lichtblick in Bezug auf Dresden’s Neubauten. Schön daß so ein geschmackvolles neues Gebäude heutzutage überhaupt noch möglich ist. Kompliment an alle Verantwortlichen!
    Schütz Residenz / Köhlersches Haus:
    Ein Höhepunkt am Neumarkt! Der moderne Anbau hat duch seine elegante Bauform durchaus etwas ansprechendes, nur schade daß auf ein Ziegeldach verzichtet wurde.
    Wilsdruffer Kubus:
    ARMES DRESDEN!!!

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