Eine Kulturgeschichte der Gewalt

Das neu konzipierte und aufwändig umgebaute Militärhistorische Museum der Bundeswehr.

Am 15. Oktober 2011 wird nach aufwändiger, mehrjähriger Umbaupause das Militärhistorische Museum der Bundeswehr mit fast 20.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche neu eröffnet. Das Museum befindet sich im ehemaligen Arsenalhauptgebäude nördlich der Stauffenbergallee. Der imposante, spätklassizistische Bau bildet den Mittelpunkt der Dresdner Albertstadt und beherbergte bereits zu DDR-Zeiten ein Militärmuseum: das Armeemuseum der DDR.

Die Albertstadt entstand in den 1870er Jahren als Militärstadt und gehörte zu den größten zusammenhängenden Kasernenanlagen Deutschlands. Ihre Kasernen wurden in der wechselvollen, 140jährigen Geschichte des Stadtteils zunächst von der Königlich Sächsischen Armee, dann der Reichswehr, der Wehrmacht, den Truppen der Sowjetunion, der NVA und schließlich auch der Bundeswehr genutzt. Mittlerweile hat die Albertstadt ihre militärische Funktion weitgehend verloren.

Wie ein Keil durchschneidet der Erweiterungsbau das alte Arsenalhauptgebäude.
Bild­nach­weis: MDR

Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr wurde sowohl architektonisch als auch inhaltlich-gestalterisch völlig neu konzipiert.

Architektonisch wird sich das Museum seinen Besuchern vor allem durch den keilförmigen Erweiterungsbau einprägen, der das sorgfältig restaurierte historische Gebäude durchschneidet und so “Raum zum Nachdenken über organisierte Gewalt” eröffnet. Das architektonische Konzept stammt von Daniel Libeskind, einem prominenten Vertreter des Dekonstruktivismus, der u.a. auch den Neubau des Jüdischen Museums in Berlin entwarf. Die Symbolsprache der neuen Architektur ist vielfältig und durchaus nicht unumstritten. In jedem Falle ist das Aufbrechen und Zerschneiden eines militärischen Repräsentationsbaus durch einen Keil, der zur Dresdner Innenstadt weist und damit die Anflugrichtung der alliierten Bomberverbände von 1945 markiert, eine Provokation.

Auch inhaltlich wird sich das Museum deutlich von vergleichbaren Einrichtungen unterscheiden: Bislang dienten Militärmuseen meist als “Hochaltäre des Krieges. Sie präsentieren Waffen, glänzende Geräte und gebügelte Uniformen, sie feiern große Schlachten, Heldenepen mutiger Soldaten, die im patriotischen Kampf ihr Leben für das Vaterland aufs Spiel setzten und häufig auch verloren.” (Der Spiegel). Zwar wird es auch in Dresden um staatliche Gewaltanwendung gehen, werden auch auch hier Gewehre, Kanonen und Panzer zu sehen sein. Der Blick weitet sich jedoch und dringt zu grundsätzlicheren Fragen durch: Woher kommt Gewalt? Ist der Mensch böse? Gibt es einen gerechten Krieg? Die Ausstellung des neuen Militärmuseums hat sich zum Ziel gesetzt, Bausteine einer “Kulturgeschichte der Gewalt” zu liefern.

Aus dem Inneren des Keils eröffnet sich dem Besucher ein spektakulärer Blick über die Stadt. Bild­nach­weis: Architect Daniel Libeskind AG

Der Ansatz, das Thema Krieg und Gewalt nicht nur militärhistorisch, sondern auch kulturgeschichtlich zu untersuchen, verleiht dem Militärhistorischen Museum schon jetzt ein unverwechselbares Profil — sowohl im Vergleich mit allgemein historischen als auch mit anderen militärgeschichtlichen Museen. Grund genug für die New York Times, Dresden als einzige deutsche Stadt in einem Online-Special als einen von “The 41 Places to Go in 2011” vorzustellen.

 

Leitgedanken der Neugestaltung des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr

Rückwärtige Ansicht des Musuemskomplexes mit seinem dekonstruktivistischen Erweiterungsbau. Bild­nach­weis: Architect Daniel Libeskind AG

1 Perspektivwechsel

Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr (MHM) bietet unterschiedliche Perspektiven auf deutsche Militärgeschichte. Die Gesamtkonzeption von Architektur und neuer Dauerausstellung steht für das Nebeneinander von klassischen und neuartigen Sichtweisen und Ausdrucksformen. Tradition und Innovation — alte und neue Interpretationen von Militärgeschichte bilden die Eckpunkte der Konzeption.

2 Querschnitt und Zeitreise

Das Museum bietet zwei Zugänge zur Militärgeschichte, die sich architektonisch, inhaltlich und durch die Ausstellungsgestaltung unterscheiden: thematische Querschnitte im Neubau und chronologischer Rundgang im sanierten Altbau.

3 Eine Kulturgeschichte der Gewalt

Das MHM bietet dem Besucher alle Informationen zum Militär in seiner historischen Entwicklung, die dieser von einem Museum erwarten kann. Dennoch unterscheidet sich das MHM von klassischen Uniform- und Waffenpräsentationen. Moderne Militärgeschichte stellt nicht nur die Erscheinungsformen staatlicher Gewaltpraxis dar, sondern beschäftigt sich auch mit den vielfältigen Formen gesellschaftlicher Gewaltausübung. Vor diesem Hintergrund liefert das MHM Bausteine zu einer Kulturgeschichte der Gewalt.

Blick in des Innere des Museumsbaus. Bild­nach­weis: Architect Daniel Libeskind AG

4 Im Mittelpunkt steht der Mensch

Das Leitmotiv, das alle Ausstellungsbereiche und auch die bauliche Konzeption durchdringt, ist die Frage nach den Ursachen und dem Wesen von Gewalt. Hier wird der Mensch thematisiert mit all seinen Ängsten, Hoffnungen, Leidenschaften, Erinnerungen, Trieben, mit seinem Mut, seiner Vernunft und Aggressionsbereitschaft. Krieg ist nur verständlich, wenn seine Darstellung die Natur des Menschen zur Grundlage nimmt.

5 Ein Museum für alle

In der Vergangenheit schienen Militärhistorische Museen eher auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtet zu sein. Das MHM wird ein Museum “für alle” sein, das sich mit seiner ausdrucksstarken und überraschenden Architektur sowie einer wissenschaftlich fundierten und zugleich erlebnisorientierten Ausstellung auch an Familien, Touristen, Schulgruppen, Jugendliche und Kinder wendet.

Visualisierung des umgebauten Militärhistorischen Musuems. Bild­nach­weis: Architect Daniel Libeskind AG

6 Forum Museum

Das MHM versteht sich als Forum der Auseinandersetzung mit dem Militär und der Militärgeschichte. Aktuelle und historisch relevante Themen werden in Sonderausstellungen und Veranstaltungen von der internationalen wissenschaftlichen Fachtagung bis zum Kinoabend aufgegriffen. Der angestrebte Austausch führt Spezialisten mit der breiten interessierten Öffentlichkeit zusammen.

Bereits zu DDR-Zeiten beherbergte das ehemalige Arsenalhauptgebäude das “Armeemuseum der DDR”. Bild­nach­weis: Bild­ar­chiv Foto Marburg

7 Zentrum eines neuen Museumsquartiers

Die Albertstadt mit dem Arsenal war nacheinander prosperierendes Neubaugebiet, Verkehrsknotenpunkt und urbanes Niemandsland. Heute entwickelt sich das MHM mit der umgebenden Albertstadt neben der Dresdener Altstadt zu einem neuen Museumsquartier. Mit über 19 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche entsteht hier das größte militärhistorische Museum Deutschlands.

8 Architektur

Der Erweiterungsbau schafft eine grundlegende Neuorientierung des Gebäudes. Er gibt den Weg frei auf das historische Zentrum Dresdens. Er erhebt sich über die Dachlandschaft des Altbaus als von außen sichtbares Zeichen der Erneuerung und von innen erlebbare Öffnung zur Stadt. Der Neubau “Keil” schneidet in den Altbau und öffnet den Raum zur Auseinandersetzung mit der Militärgeschichte und ihrer Zukunft und führt den gesellschaftlich-inhaltlichen Diskurs architektonisch fort.

9 Ausstellungsgestaltung

Die spektakulären Exponate werden in einer neuen Form ausgestellt. Ihre Präsentation und mediale Inszenierung lässt neue Bilder entstehen, die den Besucher emotional einbinden. Militärgeschichte wird zum räumlichen Erlebnis.

Quelle: www.militaerhistorisches-museum.bundeswehr.de

 

Öffnungszeiten des Museums:
Montag 10 bis 21 Uhr.
Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr.
Mittwochs geschlossen.

Kontakt:
Militärhistorisches Museum der Bundeswehr
Olbrichtplatz 2
01099 Dresden

Tel: (03 51) 823 – 2803
Fax: (03 51) 823 – 2805
E-Mail: MilH@bundeswehr.or

Weitere Informationen: www.mhmbw.de

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